Zielbild beim Blankbogen

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NichtMehrDa01

Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

Mal eine vielleicht etwas ungewöhnliche Frage, gerichtet an Blankbogenschützen, die abgreifen. Wo liegt eigentlich euer Fokus? Auf dem Ziel, oder auf der Pfeilspitze?

Ich schieße ja intuitiv und da liegt mein Fokus auf dem Ziel. Den Pfeil nehme ich nur peripher wahr, ohne dass ich sagen könnte wo genau meine Pfeilspitze eigentlich hinzeigt.

Jetzt habe ich aus Spaß mal versucht abzugreifen und dabei auf die Pfeilspitze fokussiert. Nur für eine Passe. Danach habe ich wieder intuitiv weiterschießen wollen und lag plötzlich einen halben Meter zu hoch!

Das hat dann etwa 2 oder 3 Passen gebraucht, bevor ich mich wieder justiert hatte. Das hat mir tatsächlich ein bisschen Angst gemacht. Ich hatte schon befürchtet, mein Bilderbuch wäre irreversibel beschädigt.

Bevor ich das nochmal probiere, würde ich gerne wissen, ob man als Systemschütze nicht auch auf das Ziel fokussieren kann. Wie macht ihr das?

Grüße,
Andreas
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DrJ
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von DrJ »

Ich bin eigentlich Gap-Shooter und Stringwalker. Je nachdem ob ich 3D oder Feld schieße. Ich habe mir daher angewöhnt immer den Focus auf das Ziel zu haben. Die Pfeilspitze nehme ich dabei immer unscharf wahr. Somit komme ich nicht durcheinander.

Grüße Jürgen
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ullr
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von ullr »

NichtMehrDa01 hat geschrieben: 23. Mär 2021, 20:58 Mal eine vielleicht etwas ungewöhnliche Frage, gerichtet an Blankbogenschützen, die abgreifen. Wo liegt eigentlich euer Fokus? Auf dem Ziel, oder auf der Pfeilspitze?
...
Diese Frage taucht eigentlich nur bei Bogenschützens auf... ;)
Man kann sie einfach durch Logik beantworten.
Frage:
Was bewegt sich denn beim Zielen mit einer Waffe? Die Scheibe oder das Visier (Laufenden Keiler und Trap/Skeet außen vor gelassen) ?
Antwort:
Die Waffe bewegt sich und damit das Visierbild.
Und das dürfte auch für Blankbogenschützen, die die Pfeilspitze als Visierpunkt benutzen, gültig sein.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
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NichtMehrDa01

Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

Ich hatte wohl irgendwo mal gelesen, dass sich intuitiv und Visier gut miteinander vereinbaren ließen, weil man in beiden Fällen auf das Ziel fokussieren würde - im Gegensatz zu den Kollegen, die über die Pfeilspitze zielen. Die würden angeblich auf die Spitze fokussieren.

Aber gut, was bedeutet das schon? Es wird viel Blödsinn geschrieben und folglich liest man auch viel Blödsinn.

Tatsächlich beruhigt es mich ungemein, dass das nicht so ist. Und ja, es ist logisch - wenn man sich nur die Mühe macht mal darüber nachzudenken. :D

Danke!
Andreas
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ullr
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von ullr »

NichtMehrDa01 hat geschrieben: 24. Mär 2021, 16:23 Ich hatte wohl irgendwo mal gelesen, dass sich intuitiv und Visier gut miteinander vereinbaren ließen, weil man in beiden Fällen auf das Ziel fokussieren würde - im Gegensatz zu den Kollegen, die über die Pfeilspitze zielen. Die würden angeblich auf die Spitze fokussieren.

Aber gut, was bedeutet das schon? Es wird viel Blödsinn geschrieben und folglich liest man auch viel Blödsinn.

Tatsächlich beruhigt es mich ungemein, dass das nicht so ist. Und ja, es ist logisch - wenn man sich nur die Mühe macht mal darüber nachzudenken. :D

Danke!
Andreas
Ja, das ist das Argument. Aber was bedeutet "intuitiv"? Wenn Du einen Ball wirfst und Du willst was treffen, dann geht es nur intuitiv. Ich brauch jetzt nicht zu erzählen, wieviel Training Du dazu brauchst. Genauso -und viel komplizierter, weil eine sehr viel höhere Präzision erwartet wird- wird es beim intuitiven Zielen mit Pfeil und Bogen aussehen... Wenn Du in die Geschichte guckst, dann haben Krieger "gezielt" ihre Pfeile nur auf extrem kurze Entfernungen (5-10m) geschossen. Und die konnten's... die Reitervölker. Egal ob sie die Römer oder europäische Heere zu Paaren getrieben haben. Nur, die haben Bogenschießen geübt, selbst vom Pferd aus, da konnten die Kinder noch nicht richtig laufen... (OK... Übertrieben ;) )
Ich möchte da wirklich keinen Streit anfangen, aber für mich zählt auch der Aufwand...
Gruß und klar doch
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b_der_k_te
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von b_der_k_te »

Hallo,
Ich finde die Sache auch prinzipell bzw. philosophisch interessant.
Aus dieser Sicht unterscheide ich sogar zwischen "zielen" und "visieren".
Visieren ist für mich das was mit den Visierbild und halt dem was der Schütze mit dem Auge sieht zusammen hängt. Also alles was optisch ist. Das wäre dann auch wenn man die Pfeilspitze zum visieren (mit)verwendet.
Visieren heißt dann auch das man, wie ullr das angedeutet hat, zumindest zwei Referenzpunkte braucht. Einen am Equipment (z.B. Pfeilspitze) und einen am bzw. das Ziel. Diese zwei Punkte müssen optisch (visieren) in Einklang zueinander gebracht werden. (Das geht auch über ein Gap, doch je größer dieses Gap ist desto unsicherer/unpräziser wird es werden.)

Zielen ist aus meiner Sicht das Ausrichten des Bogens auf das zu treffende Ziel. Das passiert nicht primär durch das Visieren sondern durch die Körperhaltung mitsamt den vielen kleinen Feinheiten wie Kopfhaltung, Kontakt der Zughand (und Sehne) am Gesicht, Stand, "T-Stellung". Aber auch Druckpunkt, Rückenspannung usw. All die Sachen die, wenn man sie nicht immer gleich macht, verursachen das der Pfeil nicht dort hin geht wo man doch so genau hin-visiert hat.
Das Visieren ist dann streng genommen ein kleiner Teil vom Zielen, man könnte es aber auch abkoppeln und als getrennten Teil betrachten.

So gesehen ist es eben spannend wenn intuitiv gezielt wird heißt das dann das man mit dem Körper den Bogen auf auf das Ziel ausrichtet aber ein visieren (zumindest nicht bewußt) eigentlich gar nicht stattfinden kann. Denn kann man denn visieren wenn man nicht auf den einen Referenzpunkt am Equipment also dem Bogen achtet? Ein Grenzfall könnte eben sein wenn man diesen Punkt im periphären Sichtfeld bemerkt. Doch da kommt dann das Argument zum tragen: wenn ich die Visierpunkte nur unscharf wahrnehme, kann man nie und nimmer "scharf" visieren.

Nichts desto trotz funktioniert es auch einfach zu zielen ohne zu visieren. Das heißt halt das man, weil man die zusätzliche Hilfestellung des Visierens nicht nutzt, viel viel viel mehr Übung braucht um das eigene Köpergefühl so weit zu trainieren das es immer zuverlässiger klappt.

Das moderne Schlagwort für Körpergefühl nennt sich Propriozeption.
Dazu habe ich mal eine sehr gute ARTE-Dokumentation gesehen.
Weiß nicht mehr ob ich das hier im Forum schon einmal gepostet habe: https://youtu.be/ocbwq4ERPsU?t=1775
Besonders interessant ist wohl der Bereich von Minute 29:34, bis Minute 36. Man kann sich natürlich jederzeit die ganze Sendung ansehen.
NichtMehrDa01

Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

Zur Frage was eigentlich intuitiv ist, kann ich nur meine eigene Erfahrung beisteuern. Ich nehme aber an, dass der Begriff für andere Schützen durchaus auch eine andere Bedeutung haben kann.

Ich nehme den Pfeil zwar wahr, kann aber nicht genau sagen, wo meine Pfeilspitze hinzeigt. Es ist tatsächlich mehr eine periphere Wahrnehmung, als ein Sehen. Nicht viel deutlicher, als beispielsweise beim “Sehnenschatten”.

Das “Zielen” geschieht sehr wahrscheinlich durch die Überlagerung von zwei Bildern. Das eine in meinem Unterbewusstsein gespeichert (Soll), das andere, das ich aktuell wahrnehme (Ist). Wenn die beiden deckungsgleich sind, löst sich der Schuss.

Was mich daran fasziniert, ist die Tatsache, dass das Gehirn zu solchen Leistungen überhaupt fähig ist. Deswegen bin ich bis heute dabei geblieben, auch wenn ich ursprünglich eigentlich einen olympischen Bogen schießen wollte.

Trainieren tue ich übrigens häufig mit einem Wackelbrett (Balance Board) und indem ich den Schussablauf mit geschlossenen Augen durchführe. Das war auch so eine Intuition :D Hat mir keiner empfohlen, aber ich dachte, das könnte hilfreich sein.

Keine Ahnung, ob das alles für jemanden hier von Interesse ist, aber mich würde interessieren, ob andere Intuitivschützen das genauso wahrnehmen wie ich.

Grüße,
Andreas
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ullr
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von ullr »

b_der_k_te hat geschrieben: 25. Mär 2021, 10:16 Hallo,
Ich finde die Sache auch prinzipell bzw. philosophisch interessant.
.....
Das moderne Schlagwort für Körpergefühl nennt sich Propriozeption.
Dazu habe ich mal eine sehr gute ARTE-Dokumentation gesehen.
Weiß nicht mehr ob ich das hier im Forum schon einmal gepostet habe:
https://youtu.be/ocbwq4ERPsU?t=1775
Besonders interessant ist wohl der Bereich von Minute 29:34, bis Minute 36. Man kann sich natürlich jederzeit die ganze Sendung ansehen.
Hallo Bernd, Danke für diesen Post und für den arte -Link. Beide sind hochinteressant. Aber ich muß es erst mal durcharbeiten. Das kostet Zeit.
Gruß und klar doch,
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b_der_k_te
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von b_der_k_te »

NichtMehrDa01 hat geschrieben: 25. Mär 2021, 18:05 Keine Ahnung, ob das alles für jemanden hier von Interesse ist, aber mich würde interessieren, ob andere Intuitivschützen das genauso wahrnehmen wie ich.
Ja wäre schön wenn mehr Intuitivschützen hier mitschreiben.
NichtMehrDa01 hat geschrieben: 25. Mär 2021, 18:05 Ich nehme den Pfeil zwar wahr, kann aber nicht genau sagen, wo meine Pfeilspitze hinzeigt. Es ist tatsächlich mehr eine periphere Wahrnehmung, als ein Sehen.
Es ist wohl die Frage wie sehr man die Aufmerksamkeit auf diese Wahrnehmung legt, auch wenn sie lediglich periphär bleibt. Je nachdem könnte man dies dann als Visierbild und zum visieren zählen, oder eben nicht.
NichtMehrDa01 hat geschrieben: 25. Mär 2021, 18:05 Trainieren tue ich übrigens häufig mit einem Wackelbrett (Balance Board) und indem ich den Schussablauf mit geschlossenen Augen durchführe. Das war auch so eine Intuition :D Hat mir keiner empfohlen, aber ich dachte, das könnte hilfreich sein.
Finde ich z.B. sehr gut, empfehle es auch, habe es oft empfohlen bekommen, mache es selbst nur viel zu selten. :D
Das schult extrem gut das eigene Körperempfinden und verbessert auch die Ausführung des Schußablaufs. Gerade weil die Energie für die Konzentration des visierens wegfällt.
Ich muß da in dem Punkt auch ullr widersprechen der diesbezüglich oft meint das solche Übungen den Visier-Regelkreis stören oder sogar zerstören würde wenn man keinen Zielpunkt und daher kein Visierbild in die Übung einbauen.
Selbst in der Technik sind sogenannte innere und äußere Regelkreise bekannt und vielfälltig im Einsatz. Und so sehe ich den Prozess des Schießens ebenso als mehrschichtiger Regelkreis an.
Es gibt den inneren Regelkreis bei dem das Unterbewußtsein die Körperwahrnehmung überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Das ist die Propriozeption.
Dann gibt es den äußeren Regelkreis des visierens, welches dazu dient dem inneren Regelkreis eine Hilfestellung zu geben und zu verfeinern bzw. präzieser zu machen. Schaltet man diesen äußeren Regelkreis aus indem man die Augen schließt oder auf einen leeren Dämpfer schießt, hat man mehr Konzentrationspotenzial um die Propriozeption zu schulen. Die Konzentration wird da auch voll benötigt. Denn gleichzeitig wird der innere Regelkreis stärker gefordert weil eben die Hilfestellung fehlt und der Lerneffekt wird weiter gesteigert.
NichtMehrDa01

Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

Die Arte Sendung fand ich super interessant. Vielen Dank für's verlinken!
b_der_k_te hat geschrieben: 29. Mär 2021, 16:25 Es ist wohl die Frage wie sehr man die Aufmerksamkeit auf diese Wahrnehmung legt, auch wenn sie lediglich periphär bleibt. Je nachdem könnte man dies dann als Visierbild und zum visieren zählen, oder eben nicht.
Da ich die Lage des Pfeil relativ zum Ziel wahrnehme, kann man hier schon von visieren sprechen. Wenn ich jedoch versehentlich zu viel Aufmerksamkeit auf den Pfeil lenke, dann kann ich absetzen. Dann geht gar nichts mehr. Das ist eine recht diffizile Balance zwischen wahrnehmen, aber nicht bewusst sehen.
b_der_k_te hat geschrieben: 29. Mär 2021, 16:25 Schaltet man diesen äußeren Regelkreis aus indem man die Augen schließt oder auf einen leeren Dämpfer schießt, hat man mehr Konzentrationspotenzial um die Propriozeption zu schulen. Die Konzentration wird da auch voll benötigt. Denn gleichzeitig wird der innere Regelkreis stärker gefordert weil eben die Hilfestellung fehlt und der Lerneffekt wird weiter gesteigert.
Das Sehen ist halt der dominanteste unserer Sinne. Schalte ich das Sehen aus, nehme ich die verbleibenden Sinne deutlicher wahr. Das Riechen hingegen ist einer unserer schwächsten Sinne. Und was machst du ganz automatisch, wenn du einen feinen Geruch wahrnehmen willst? Du schließt die Augen.

Und so "stört" das Sehen auch andere Wahrnehmungen, bzw. fördert das Training mit geschlossenen Augen die Wahrnehmung untergeordneter Sinneseindrücke. Mentales Training macht man ja auch mit geschlossenen Augen. Und wenn ich den Schussablauf mit geschlossenen Augen durchgehe, dann darf das Zielen ja durchaus mit dazu gehören.

Ich glaube, dass Propriozeptionstraining mir vor allem hilft, einen sichereren und besser ausbalancierten Stand einzunehmen. (Was sicher auch im Wind hilfreich ist.) Kleiner Tip für das Training im Alltag: Wenn schon Fahrstuhl, dann auf einem Bein und mit geschlossenen Augen. Aber nur wenn sonst keiner drin ist, dem man in die Arme fallen könnte. :lol:

Grüße,
Andreas
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