Zielbild beim Blankbogen

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ullr
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von ullr »

NichtMehrDa01 hat geschrieben: 25. Mär 2021, 18:05
Ich nehme den Pfeil zwar wahr, kann aber nicht genau sagen, wo meine Pfeilspitze hinzeigt. Es ist tatsächlich mehr eine periphere Wahrnehmung, als ein Sehen. Nicht viel deutlicher, als beispielsweise beim “Sehnenschatten”.
...
Das Visieren ist ein komplexer Vorgang, ich habe mal versucht, es in -relativ- einfachen Worten und Bildern zu beschreiben.
Visieren
Das Gehirn (das Ungewußte) weiß auf Grund der Bewegungen und der Muskelvorspannungen bis zu 4 Sekunden früher was los ist als das Bewußtsein.
Das “Zielen” geschieht sehr wahrscheinlich durch die Überlagerung von zwei Bildern. Das eine in meinem Unterbewusstsein gespeichert (Soll), das andere, das ich aktuell wahrnehme (Ist). Wenn die beiden deckungsgleich sind, löst sich der Schuss.
Das ist eine mögliche Beschreibung, sie ist aber nicht wirklich absolut richtig. Das Problem liegt einfach darin, dass das Gehirn wirklich lange Zeit (bis zu 4 Sekunden vorher weiß, wie das Visierbild aussehen wird. Der bewußte Eingriff durch bewußtes "Nachsteuern" wird zu katastrophalen Ergebnissen führen, weil es viel zu spät kommt. Das ist das Problem, dass der Blankbogenschütze hat. Der Visierbogenschütze hat das Problem nicht, wenn er den Klicker richtig einsetzt.
Der Klicker, Modell
Es gibt sehr wenige Schützen (meiner Erfahrung nach) die ohne Klicker und in Wettkampfbedingungen fast genausogut wie Klickerschützen entsprechenden Leistungsstandes schießen. Das sind Schützen, die intuitiv auf ihr Bewußtsein vertrauen. Das dürfte aber nur extrem schwer erlernbar sein. b_der_k_te hat einen erstklassigen Post über Propriozeption im Zielbild beim Blankbogen geschrieben. In dem angezogenem Video wird das Erlernen dieses Körpergefühls beschrieben. Es dürfte extrem aufwendig sein.
Bei den Gewehr- und Pistolendisziplinen ist das Auslösen des Schusses deutlich einfacher als beim Bogenschießen, aber hier ist auch das "unbewußte" Auslösen deutlich einfacher. Beim Visierbogenschießen ist der Klicker das Mittel der Wahl. Die Enscheidung zum Lösen kommt durch den "Klick" und die Birne ist geschält. Irgendwelche Äußerungen wie "ich kontrolliere nach Klick das Visier und schieße erst dann" sind Bullshit.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

ullr hat geschrieben: 30. Mär 2021, 09:00 Der bewußte Eingriff durch bewußtes "Nachsteuern" wird zu katastrophalen Ergebnissen führen, weil es viel zu spät kommt.
So langsam frage ich mich, ob beim Bogenschießen überhaupt irgendetwas bewusst geschieht - außer dem Aufbau des Bogens vielleicht. :D Aber du hast recht und die Erfahrung habe ich vergangene Woche im Wind gemacht. Man muss sich auch da ganz auf sein Unterbewusstsein verlassen - was nicht leicht ist.
ullr hat geschrieben: 30. Mär 2021, 09:00 Beim Visierbogenschießen ist der Klicker das Mittel der Wahl. Die Enscheidung zum Lösen kommt durch den "Klick" und die Birne ist geschält. Irgendwelche Äußerungen wie "ich kontrolliere nach Klick das Visier und schieße erst dann" sind Bullshit.
Ich habe jetzt gelesen, dass du dem Klicker im Hinblick auf die Auszugskontrolle nur eine untergeordnete Rolle zuschreibst. Soweit, so gut. Neben Auszugskontrolle und " akustischem Auslöser" sehe ich aber noch einen anderen Vorteil des Klickers. Mal sehen, ob meine Meinung noch jemand teilt...

Beim Schießen mit Klicker löst der Schütze aus der Expansion heraus, während der Blankbogenschütze häufig aus einer statischen Halteposition heraus löst. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen, dass das Lösen aus dieser feinen Bewegung heraus sauberer funktioniert. Ich versuche daher -auch ohne Klicker- so zu expandieren, als müsste ich durch einen Klicker ziehen. Einbildung, oder begründbar?

Grüße,
Andreas
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mbf
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von mbf »

Aus meiner Einschätzung heraus sehe ich es auch so. Durch die fortgeführte Expansion liegt das Signal "Rückenspannung aufbauen" an, der Körper hält definiert die Spannung und gegen den Bogen. Wenn man auf "Halten" umstellt, läuft man Gefahr, dass man vom Bogen zusammengezogen wird, da eine eindeutige Ansage fehlt. Man fängt schnell an, um den Haltepunkt herum zu pendeln... der Bogen zieht zusammen, gegensteuern, nee, ein Hauch zu weit, Entspannen... auch ist dann ein explosives Lösen nur schwer möglich, da mitunter unklar ist, in welcher dieser Phasen man denn löst.

Geht zumindest mir so. Wenn ich meinen Jagdrecurve auspacke, dann darf ich alles, nur nicht aus einem statischen Anker heraus lösen. Ich gehe zwar für einen Moment in einen solchen, um mein "Visierbild" zu stabilisieren, aber dann muss Zug her. Eigentlich fast wie beim Klickerbogen...
Grüße, Matthias

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ullr
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von ullr »

NichtMehrDa01 hat geschrieben: 30. Mär 2021, 14:43 ....
Beim Schießen mit Klicker löst der Schütze aus der Expansion heraus, während der Blankbogenschütze häufig aus einer statischen Halteposition heraus löst.
...
Wenn der Schütze nicht weiter spannt, kommt er nicht durch den Klicker.
Ich versuch es mal, mit der hochwahrscheinlich richtigen Erklärung:
Der Schütze spannt den Bogen mit der eingeübten Bewegung, Bogenoberarm und Zugoberarm um die Schultergelenke zu "drehen" Es ist eine Drehbewegung. Das tut er mit der von ihm eingeübten Geschwindigkeit, die Pfeilspitze bewegt sich nach hinten, mit absteigender Geschwindigkeit, die sich einfach mit relativ hoher Genauigkeit messen läßt. (und nein, nicht mir irgendwelchen Handy App's). Diese Kurve wurde bei Spitzenschützen:Innen vermessen und auch veröffentlicht.
Das Unbewußte weiß bis zu 4s früher als das Bewußtsein (gemessen bei Computertomografenuntersuchungen), wann das tatsächliche Zielbild mit dem idealen Zielbild übereinstimmt. Die Koordination erfolgt durch das Unbewußte, das (sog. "überraschend", aber nur das Bewußtsein überraschend) den Zugfingern den Befehl gibt zu Lösen.
Alles andere ist Newtonphysik, Actio=Reactio.
Damit hat der Klickerschütze einen großen Vorteil vor dem Blankbogenschützen, der viel mehr Schwierigkeiten hat, seine Bewegungen (Korrigieren des Visierbildes, Spannen, Lösen) zu koordinieren.
Gruß und klar doch
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

mbf hat geschrieben: 30. Mär 2021, 20:56 auch ist dann ein explosives Lösen nur schwer möglich, da mitunter unklar ist, in welcher dieser Phasen man denn löst.
Ja, so empfinde ich das auch. Aus der Expansion heraus löst es sich "glatter". Nur war ich mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht eine Einbildung sein könnte.

Grüße,
Andreas
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DrJ
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von DrJ »

Was ich hier so lese, ist durchaus einleuchtend. Was mich zusätzlich interessieren würde, was die hier anwesenden Blankbogner als Klickerersatz verwenden. Ist ein Gefühl oder ein anderer Trickerpunkt, wie zum Beispiel die Feder-/Vanes-Spitze an der Nase?

Zur Zeit ist es bei mir so, dass ich zwar die Leit-Vane an der Nase spüre, aber eher als 3. Ankerpunkt und nicht als Trigger und ich fast ein bewusstes aktives Lösen mache. So richtig befriedigt mich das nicht.

Was tun?
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

ullr hat geschrieben: 1. Apr 2021, 07:51 Das Unbewußte weiß bis zu 4s früher als das Bewußtsein (gemessen bei Computertomografenuntersuchungen), wann das tatsächliche Zielbild mit dem idealen Zielbild übereinstimmt.
Das finde ich spannend! Gibt es dazu irgendwelche weiterführenden Quellen (vielleicht ein Paper), das du empfehlen kannst?

Grüße,
Andreas
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

DrJ hat geschrieben: 1. Apr 2021, 11:06 Was ich hier so lese, ist durchaus einleuchtend. Was mich zusätzlich interessieren würde, was die hier anwesenden Blankbogner als Klickerersatz verwenden. Ist ein Gefühl oder ein anderer Trickerpunkt, wie zum Beispiel die Feder-/Vanes-Spitze an der Nase?

Zur Zeit ist es bei mir so, dass ich zwar die Leit-Vane an der Nase spüre, aber eher als 3. Ankerpunkt und nicht als Trigger und ich fast ein bewusstes aktives Lösen mache. So richtig befriedigt mich das nicht.

Was tun?
Wie Christian oben schön beschrieben hat, entscheidet tatsächlich das Unterbewusstsein, wann der Zeitpunkt zum Lösen gekommen ist. Das Bewusstsein ist davon oft überrascht. (Huch! Gelöst...) Je mehr du deinem Unterbewusstsein vertraust und nicht versuchst bewusst die Kontrolle zu übernehmen, desto besser sollte das klappen. Der Trigger ist im Prinzip der Moment, in dem das Unterbewusstsein sagt: "passt!".

Auf dem Kanal von Jake Kaminski (dessen Blankbogen Erfahrungen ich recht kurzweilig finde) beschreibt er aber einen akkustischen Trigger, den er sich selber schafft. Er schnippt mit dem Fingernagel an der Griffschale. Das macht er wohl, weil er sich als OR Schütze über so lange Jahre an den Klicker gewöhnt hat, dass er ohne nicht mehr kann. Für ihn scheint das zu funktionieren, aber ich habe da so meine Zweifel dran.

Grüße,
Andreas
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ullr
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von ullr »

NichtMehrDa01 hat geschrieben: 1. Apr 2021, 11:08
ullr hat geschrieben: 1. Apr 2021, 07:51 Das Unbewußte weiß bis zu 4s früher als das Bewußtsein (gemessen bei Computertomografenuntersuchungen), wann das tatsächliche Zielbild mit dem idealen Zielbild übereinstimmt.
Das finde ich spannend! Gibt es dazu irgendwelche weiterführenden Quellen (vielleicht ein Paper), das du empfehlen kannst?

Grüße,
Andreas
Hier sind zwei Artikel:
https://www.spektrum.de/alias/r-hauptka ... eit/968930
https://www.zeit.de/2008/17/Freier-Wille
Da werden die Versuche recht gut geschrieben. Die Versuche von Libet liefen 1987. Da kann sich jeder ein Bild machen über die Beschreibungen des Zielvorganges in verschiedenen Medien....
Ich habe noch irgendwo ein tolles Video von arte, das kann ich aber irgendwie nicht finden... Grummel
und natürlich das tolle Video von b_der_k_te über Körpergefühl (Propriozeption):
https://youtu.be/ocbwq4ERPsU?t=1775
Gruß und klar doch,
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Christian
Nachtrag 02. 04. 2012 : Ich habe dieses Video von arte gesucht. Leider mußte ich feststellen, dass es nicht mehr im Netz verfügbar ist... Sch.... :(
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Re: Zielbild beim Blankbogen

Beitrag von NichtMehrDa01 »

Super! Vielen Dank!
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