Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

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ullr
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von ullr »

Hallo mbf, genau das stößt mir auch auf: Da werden irgendwelche "Empfehlungen" gegeben, aber es fehlt immer eine -zumindest- nachvollziehbare Begründung. Das Garnhersteller nicht "Spezialgarn" für Bogensehnen entwickeln, ist für mich nachvollziehbar. Aber deshalb muß ich mich nicht auf -höflich gesagt- sehr windige Begründungen von Händlern oder Bogenherstellern einlassen. Ich kann mir z.B. nur extrem schwer vorstellen, dass ein Wurfarmtyp, der nach state of the art entwickelt und gebaut wurde, auf irgendein Garn so reagiert, dass er beschädigt wird oder unpräzise wirft. Holzsteckenbogen, OK. Die haben eh nur begrenzte Lebensdauer... :D Noch nicht mal die relativ vielen Sehnenbrüche von Kevlar vor -zig Jahren haben m.W. Wurfarmbrüche verursacht. Dass Mittelteile brachen -unabhängig vom verwendeten Sehnengarn- kam vor. Meistens (oder sogar immer) waren es Gußmittelteile aus Magnesiumlegierungen und da konnte man nach dem Bruch fast immer die Ursache erkennen: Lunker Lufteinschlüsse) in der Höhe des Griffes, also da wo die höchste Beanspruchung zu erwarten war. Die Sehne hatte damit nichts zu tun.
Gruß und klar doch,
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Wali
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von Wali »

ullr hat geschrieben: 6. Mär 2019, 08:17
Hallo Wali,
Begründung?
Das elastische Verhalten wird durch den E Modul beschrieben:
Dyneema (UHMW Pe): 100 GPa
Technora (Aramid): 90 GPa
Vectran (Aramid): 80 GPa
Ja, das passt nicht so richtig. Ich war auch der Meinung Vectran wäre knochenhart.
Tabelle sagt was anderes , oder kann man das an diesen Werten nicht ableiten ?
Zeylon hat krasse Werte. Ist das dies DM20 Zeug ?
https://www.gleistein.com/de/technische ... miefasern/

Was die Begründung angeht hat Border doch aufgezählt. Flämisch Spleiß , viel eindrehen , nur so dick wie nötig.
Faktoren die eine Sehne nachgibig machen , wenn die letzten 20% Schub im Bogen verbrannt werden. Er will halt ein bisschen Bremsweg haben. Leichte Pfeile mag er auch nicht , weil er dann mehr Energie nach dem Schuß zu bremsen ist.

Eine Sache noch !
Sehnendehnung und verlorener Schub könnte man auch ableiten, wenn ein Pfeil weicher bzw. härter reagiert.
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von Wali »

gerade selbst gefunden. DM20 scheint wohl das neueste Dyneemgarn zu sein. Vielleicht verbirgt sich SK99 auch dahinter. Zeylon ist kein Dyneema.

DM20 ist wohl der Brüller was creep angeht.
https://www.dsm.com/content/dam/dsm/dyn ... 1nov17.pdf
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ullr
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von ullr »

Wali hat geschrieben: 6. Mär 2019, 22:02 ....

Was die Begründung angeht hat Border doch aufgezählt. Flämisch Spleiß , viel eindrehen , nur so dick wie nötig.
Faktoren die eine Sehne nachgibig machen , wenn die letzten 20% Schub im Bogen verbrannt werden.

....
Hallo Wali,
Eine kurze Abschätzung am Morgen:
Selbst wenn beim Schuß gegen Ende (der Pfeil hat die Sehne gerade eben verlassen) die Spannkraft in der Sehne 1kN erreichen sollte (bei sehr leichten Pfeilen), so ist dieser Wert, egal welches Sehnenmaterial Du nimmst, immer noch voll im elastischen Bereich. Die Bruchlast der Sehne wird im 10kN Bereich liegen, also weit drüber.
Zusätzliche Dehnungskonstruktionen (Flämisch Spleiß) einzubauen oder zusätzliches Eindrehen halte ich für lächerlich. Zumindest für Recurve-Wettkampfbogen. Für Museumsstückchen (Andenken aus der Mongolei) mag das denkbar sein.
Er will halt ein bisschen Bremsweg haben. Leichte Pfeile mag er auch nicht , weil er dann mehr Energie nach dem Schuß zu bremsen ist.
Da hat er prinzipiell Recht, das wird der Wirkungsgrad schlechter:
Ein sehr guter Wettkampfbogen
Endhaltekraft: 180N
Pfeilmasse: 0,017kg, super abgestimmt... ;)
Pfeilgeschwindigkeit: 65,5m/s (Die berühmte Katze von Schmitt)
Wirkungsgrad: 0,73
Pfeilmasse 0,025kg, auch gut abgestimmt... ;)
Pfeilgeschwindigkeit: 57m/s (der geschätzte Ploo....hopp-Bogen)
Wirkungsgrad 0,80
Die zusätzliche Bewegungsenergie, die dann in dem Bogen weniger verbrannt wird, beträgt 3,5Nm, entspricht ungefähr der Fall einer Ein-Liter-Flasche Apollinaris aus 35cm Höhe auf Deinen großen Zeh. :lol: Nimm aber 'ne Plastikflasche, wenn Du den Versuch selber durchführen willst...
Nur als Beispiel, in welchem Rahmen man sich bewegt, wenn man diese "Beratungen" analysiert...
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b_der_k_te
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von b_der_k_te »

ullr hat geschrieben: 7. Mär 2019, 08:29 Selbst wenn beim Schuß gegen Ende (der Pfeil hat die Sehne gerade eben verlassen) die Spannkraft in der Sehne 1kN erreichen sollte (bei sehr leichten Pfeilen), so ist dieser Wert, egal welches Sehnenmaterial Du nimmst, immer noch voll im elastischen Bereich.
Die schlagartige Belastung der Sehne erhöht sich nicht nur mit geringer werdender Pfeilmasse, sondern auch mit höher werdender Masse der WA-Enden. Border baut zwar extrem leichte Wurfarme, extreme Recurves bilden aber prinzipell eine grunsätzlich erhöhte Masse. (Prinziell weil Border es schafft die Masse trotzdem noch kleiner zu halten als normal gebaute Recurves anderer Hersteller.)
Natürlich bleibt es im elastischen Bereich, das ist schon praktisch Grundvoraussetzung für die Funktion einer Sehne. Mir geht es trotzdem immer noch um den Grad der Elastizität; dazu gleich mehr.

Im Rechenbeispiel komme ich auf 4,1Nm statt auf 3,5 - das könnte aber wegen Rundungsfehler sein.
Mit Zahlen kann man gut spielen, je nachdem was man aussagen möchte:
Mit denselben Beispielwerten ergibt sich eine Grundenergie von ~50Nm die im Bogen gespeichert ist.
Beim leichten Pfeil bekommt dieser 36,5Nm mit auf den Flug und 13,5Nm (siehe 0,73 Wirkungsgrad) bleiben zurück.
Beim schwereren Pfeil sind das 40,6Nm für den Pfeil und 9,4Nm verbleiben im Bogen.
Der leichte Pfeil verursacht demnach um 44% (also fast um die Hälfte) mehr Energie die der Bogen verkraften muß als der schwere Pfeil. Das ist schon eine Hausnummer.
Und 1kg aus 1,30m Höhe will ich nicht auf den Fuß bekommen. Schon gar nicht wenn es ein Stein wäre.
Wenn es - und damit bin ich wieder bei der Elastizität - ein weicher Fahrradreifen wäre, schaut die Sache schon wieder anders aus. Das würde ich wahrscheinlich sogar aushalten.
Knautschzohnen zu haben, ist oft nicht so verkehrt. Das kann man auch mit mehr Masse bzw. größerer Stabilität in jenen Bereich erreichen die beim Aufprall/Schlag belastet werden.
In Bogner-Sprache: Die Wurfarme ein wenig fester bauen, nicht unbedingt an den Tips aber im Mittelteil und der Basis. Tja, und damit hat Border wieder den Nachteil, wollen sie doch auf Teufel komm raus die leichtesten WA auf dem Markt haben.

Also kann ich die Argumentation von Border durchaus nachvollziehen und würde als ein Kriterium für eine Sehne die Eigenschaft einer geringen Elastizität bei einer Last unter 500N, aber eine hohe Elastizität über 500N bevorzugen.
Real kann ich mir kein Material vorstellen das so eine nichtlineare Spannungs-Dehnungs-Eigenschaft besitzt.
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ullr
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von ullr »

Hallo b_der_k_te
Find ich richtig gut, dass mal Beispiele richtig kritisch durchleuchtet werden. Aber hier sieht es schon so aus, wie ich es beschrieben habe. Ich habe nach meinem Modell einen Wettkampfbogen (übrigens mit Uukha Wurfarmen) innenballistisch durchgerechnet. Und dieses Rechenmodell hat bisher noch nie versagt. Das hat zwar nix zu sagen, denn irgendwann, irgendwo kommen Modelle immer an ihre Grenzen.
Aber das ist hier nicht so. Der Bogen wurde innenballistisch durchgerechnet, der einzige Parameter der geändert wurde, war die Pfeilmasse. Die Sehnenmasse war 6,4g, die dyn.rel. Wurfarmmasse 74g.
Die potentielle hineingesteckte Energie war in beiden Fällen 50,7Nm, im ersten Fall (leichter Pfeil) wurden davon 37,5Nm in kinetische Energie umgesetzt, im zweiten Fall 40,6 Nm. Die Differenz ist round about 3Nm, die zusätzlich im System als Wärme beim leichten Pfeil verbraten wird.
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von Wali »

ullr hat geschrieben: 7. Mär 2019, 08:29 Die zusätzliche Bewegungsenergie, die dann in dem Bogen weniger verbrannt wird, beträgt 3,5Nm, entspricht ungefähr der Fall einer Ein-Liter-Flasche Apollinaris aus 35cm Höhe auf Deinen großen Zeh. :lol: Nimm aber 'ne Plastikflasche, wenn Du den Versuch selber durchführen willst...
Passiert schon nichts, wenn man die Fußspitze nur 1cm über dem Boden hat. Dann darf es auch eine Glasflasche aus 1m Höhe sein. Steht der große Zeh aber platt auf Beton wird es schmerzhaft.
In beiden Fällen wird die Glasflasche es überleben weil sie ein paar Millimeter Bremsweg hat. ;)
Fällt sie neben den Zeh ist sie schrott, da fehlt der Millimeter
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ullr
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von ullr »

b_der_k_te hat geschrieben: 7. Mär 2019, 10:53 ...
Also kann ich die Argumentation von Border durchaus nachvollziehen und würde als ein Kriterium für eine Sehne die Eigenschaft einer geringen Elastizität bei einer Last unter 500N, aber eine hohe Elastizität über 500N bevorzugen.
Real kann ich mir kein Material vorstellen das so eine nichtlineare Spannungs-Dehnungs-Eigenschaft besitzt.
Hallo Bernd, ist mir eben eingefallen:
Dann wäre die Spannungs-Dehnungsfunktion des Garnwerkstoffes eine maßgebliche Größe: degressiver Verlauf im elastischen Bereich. Mir sind solche Darstellungen aber auch nicht bekannt. Diese Kennwerte sind wohl bei Kunststoffen sehr stark von der Dynamik der Belastungen abhängig.
Ich habe jedenfalls nichs Passendes gefunden.
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von b_der_k_te »

Mir geht es auch nicht um die 3Nm; allein betrachtet ist das eben kein großer Wert. Mir geht es um die Restenergie die nach dem Schuß im Bogen verarbeitet werden muß. Und es geht darum wie diese Energie in die WA eingebracht wird, also (relativ) hart oder über einen "gedämpften Bremsweg".
ullr hat geschrieben: 7. Mär 2019, 11:59 Die potentielle hineingesteckte Energie war in beiden Fällen 50,7Nm, im ersten Fall (leichter Pfeil) wurden davon 37,5Nm in kinetische Energie umgesetzt, im zweiten Fall 40,6 Nm. Die Differenz ist round about 3Nm, die zusätzlich im System als Wärme beim leichten Pfeil verbraten wird.
Bleiben halt in einem Fall 13,2Nm Restenergie, im anderen Fall 10,1.
Sind immer noch um 30% mehr Restenergie die der Bogen beim leichten Pfeil absorbieren muß. :twisted:

Alles kein Problem für die meisten Wurfarme. Border dürfte halt so grenzwertig bauen das sie sich elastischere Sehnengarne wünschen.
Irgendwas zwischen Dacron und Dyneema..?
Mit einer Dichte unter ~1,4g/cm³, Bruchdehnung von ~6-7% (und sonst wie Dyneema - dann könnte man das mit Dacron mischen.)
Oder zusätzlich mit einer Bruchlast von 1500-2500MPa. (Damit fallen Polyetherketone/ PEEK und langweiliges Nylon leider raus)
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Re: Wichtige Kenndaten von Sehnengarn

Beitrag von b_der_k_te »

Weil sich einige Sehnenhersteller und die Firma Border wieder mehr damit beschäftigen, hole ich dieses Thema mal hervor.
Facebook-Post von Border
Offenbar gibt es vermehrt Beschwerden über beschädigte Wurfarme, weshalb Border schon seit ein paar Jahren elastischere Sehnengarne propagiert. Sprich, die eher älteren Sehnengarne wie FF+, 8125 oder sogar Spectra 652, also SK75 bzw. SK65, weil deren Elastizitäts-Modul bei ca. 100GPa liegt und nicht wie SK90 oder SK99 bei 140GPa und mehr. (Auch LBS Superb liegt bei 100GPa und würde damit in der Empfehlung liegen.)
Die Idee dahinter ist das die Wurfarme nach dem Abschuß nicht so hart sondern eher sanfter abgebremst werden, was wiederum den Aufbau der Wurfarme - speziell wohl die Verklebungen - schont.
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