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Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 21. Nov 2020, 17:28
von NichtMehrDa01
Zum Thema Standhöhe bin ich bislang auf wenigstens drei unterschiedliche Fraktionen gestoßen.

1) Sound Tuning
Ist einfach nachvollziehbar. Bei zu geringer Standhöhe knallt und scheppert es. Sehne eindrehen und es ist Ruhe im Karton.

2) Effizienz
Aufgrund der unterschiedlichen Wurfarmgeometrien (Uukha, Border...) ebenfalls nachvollziehbar und auch schon etwas wissenschaftlicher. Also Standhöhe durch ein Chrono ausschießen, bis der Bogen am effizientesten arbeitet - sprich, die Pfeile am schnellsten wirft. Allerdings haben die (zweifellos etwas laienhaften) Experimente einiger Youtuber da keine nennenswerten Unterschiede ausmachen können. Für nur 2-3fps würde sich der Aufwand kaum lohnen. Trotzdem würde ich aus o.g. Grund die Empfehlung des Wurfarmherstellers, der des Mittelteilherstellers immer vorziehen.

Jetzt aber habe ich ein Video von Hennig Lüpkemann gesehen (offenbar Tuner des DSB Kaders) und der hat da einen gänzlich anderen Ansatz:

3) Laterale Gruppen
Standhöhe in 2mm Schritten auf 2-12 Meter ausschießen, bis die Pfeile einer Passe die geringste seitliche Streuung von einer vertikalen Linie haben. Vom Ablauf ähnlich wie ein Walkback Tuning, aber die vertikale Trefferlage ist egal. Hintergrund: Nach dem Lösen bewegt sich die Sehne auf einer oszillierenden Bahn und schwingt grob gesagt links, rechts, links, rechts, bis der Pfeil irgendwann ausnockt. Durch dieses Tuning soll nun der Zeitpunkt des Ausnockens so getimed werden, dass der Pfeil sich exakt in dem Moment löst, in dem sich die Sehne in gleicher (lateraler) Stellung wie in Ruhelage befindet. Das erscheint mir ausgesprochen sinnvoll, allerdings habe ich das bislang aus keiner anderen Quelle gehört.

Macht das von euch jemand so, oder hat zumindest eine Meinung dazu?

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 22. Nov 2020, 12:02
von 6pack
Punkt 1
Kannst du vergessen. Beispiel: an meinem Bogen (Hallenkonfiguration) ist, durch die sehr schweren Pfeile, das einzige was noch scheppert die Feder im Button. Es hat lang gedauert das festzustellen, und durch keine Änderung am Bogen hätte es sich gebessert.
Generell ist eine Abstimmung "nach Gehör" nicht Zielführend.

Punkt 2
Der Aufwand hier nachvollziehbare Unterschiede auszumachen wäre, wie du selbst schon festgestellt hast, enorm.
Abgesehen davon bin ich mir nicht sicher ob der schnellste Pfeil auch der Präziseste ist.

Punkt 3
Der Ansatz von Herrn Lüpkemann ist sicher nicht falsch. Generell ist es immer gut Veränderungen "Auszuschießen". Das bringt meistens mehr als fragwürdige Messungen.
Allerdings ist dazu schon ein ziemlich guter und gleichmäßiger Schussablauf notwendig, und mehr als nur ein paar geschossene Pfeile. Die Statistik lebt eben von der Anzahl der Daten.

Wie mache ich es?
Ausgehend vom oberen Ende der Empfehlung für die Standhöhe des Wurfarmherstellers hab ich die Sehne immer weiter aufgedreht. Da wo es sich (schwer Nachvollziehbar) an Besten an gefühlt hat, und mich die Sehne am wenigsten, bis gar nicht mehr, "gebissen" hat bin ich dann geblieben.
Zugegeben das ist nicht sehr Wissenschaftlich aber es scheint zu funktionieren.

AiG
6pack

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 22. Nov 2020, 12:40
von ullr
NichtMehrDa01 hat geschrieben: 21. Nov 2020, 17:28 Zum Thema Standhöhe bin ich bislang auf wenigstens drei unterschiedliche Fraktionen gestoßen.
....
3) Laterale Gruppen
Standhöhe in 2mm Schritten auf 2-12 Meter ausschießen, bis die Pfeile einer Passe die geringste seitliche Streuung von einer vertikalen Linie haben. Vom Ablauf ähnlich wie ein Walkback Tuning, aber die vertikale Trefferlage ist egal. Hintergrund: Nach dem Lösen bewegt sich die Sehne auf einer oszillierenden Bahn und schwingt grob gesagt links, rechts, links, rechts, bis der Pfeil irgendwann ausnockt. Durch dieses Tuning soll nun der Zeitpunkt des Ausnockens so getimed werden, dass der Pfeil sich exakt in dem Moment löst, in dem sich die Sehne in gleicher (lateraler) Stellung wie in Ruhelage befindet. Das erscheint mir ausgesprochen sinnvoll, allerdings habe ich das bislang aus keiner anderen Quelle gehört.

Macht das von euch jemand so, oder hat zumindest eine Meinung dazu?
Ja, ich habe eine Meinung dazu. ;) ich habe diese Vorgehensweise mit meinem Modell an einem Bogen, dessen Pfeile ich optimiert habe,überprüft.
Wird die Standhöhe geändert, so "dreht" sich die Auszugskurve um den Wendepunkt,dh. um jenen Punkt bei dem die Steigung von degressiv in progressiv übergeht. Das haben wir im letzten Jahrtausend experimentell überprüft, das stimmt. Danach arbeitet auch mein Modell.
Untersucht wurde ein Hoyt Epik mit Wurfarmen Uukha XX-Vollcarbon, 66" Klickervorbau 3.7cm. Pfeile: Pfeillänge 0.764 m , Schaftlänge 0.741 m Easton ACE 620 Insert L
Spitze Nr. 2, SpinWings
Die Endhaltekraft ändert sich da wie folgt:
180.553 N, -4mm Standhöhe
180.918N, -2mm Standhöhe
181.282N Standardstandhöhe
182.356N +2mm Standhöhe
182.709N +4mm Standhöhe
Die Anfangsgeschwindigkeit ändert sich wie folgt:
66.4732 m/s, -4mm Standhöhe
66.4867 m/s, -2mm Standhöhe
66.5002 m/s, Standardstandhöhe
66.5399 m/s, +2mm Standhöhe
66.553 m/s +4mm Standhöhe

Ich denke mal, die Unterschiede im Kraftverlauf zu messen, bräuchte man schon sehr sorgfältige Arbeit und die Geschwindigkeitsmessungen würden, um die Unterschiede festzustellen, einen erheblichen meßtechnischen Aufwand erfordern. Schon das Einstellen des auf +/- 0,5mm genauen Sehnenstandes (das muß so sein, sonst ist die ganze Untersuchung für die Katz, wenn es denn um Millimeter geht...) dürfte viel Zeit kosten.
Die Unterschiede der Rechnung gaukeln eine extreme Genauigkeit vor, die m.M.n. in der Praxis nur mit einem extremen Versuchsaufbau nachgewiesen werden könnte.
Sollten mit diesen geringen Unterschieden Treffbilder zu beurteilen sein, dürfte dies ein aussichtsloses Unterfangen sein, jedenfalls im normalen Trainingsbetrieb. Auch diese Treffbilder müssen ja ausgewertet werden und ich bin mir ziemlich sicher dass die Schwankungen (Lösen) im biologischem Bereich die zu erwartenden Unterschiede locker überdecken. Das ginge nur und nur mit einer Schießmaschine und hohem Meßaufwand.

Fazit: Man sollte seine Zeit besser und effektiver in mentales Training hineinstecken, wenn das Pfeil/Bogensystem gut abgestimmt ist.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 22. Nov 2020, 15:12
von NichtMehrDa01
6pack hat geschrieben: 22. Nov 2020, 12:02.
Allerdings ist dazu schon ein ziemlich guter und gleichmäßiger Schussablauf notwendig, und mehr als nur ein paar geschossene Pfeile. Die Statistik lebt eben von der Anzahl der Daten.
Das ist wohl wahr, aber der Herr Lüpkemann arbeitet ja auch mit ziemlich guten Schützen. ;) Und vielleicht geht es ja auch nur darum, denen das bestmögliche Gefühl zu geben? Aber selbst wenn es auf 70m nur 2 oder 3cm ausmacht... Für die Besten der Besten wäre das relevant. Für mich spielen da eher andere Faktoren eine Rolle. :lol:

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 22. Nov 2020, 19:59
von ullr
Nachtrag:
Hier, bei diesem Bogen 66", Uukha Wurfarme, waren die Spannweite der Anfangsgeschwindigkeit bei einer Variation des Sehnenstandes von -10mm zu +10mm von der Standardeinstellung von 66,4m/s zu 66,6m/s. Kein Schreibfehler. Der Bogen hatte bei geringerem Sehnenstand eine kleinere Anfangsgeschwindigkeit. Das hängt mit dem Aufzugsdiagramm zusammen, das diese modernen Wurfarme erzeugen. Diese Änderung wiederum brachte ein Änderung der Trefferlage auf 70m von +4cm.
Soviel zum Ausschießen der Trefferlage in Abhängigkeit des Sehnenstandes in 2mm Schritten auf 10m in 2mm Schritten....
;)
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 22. Nov 2020, 20:52
von NichtMehrDa01
ullr hat geschrieben: 22. Nov 2020, 19:59 Diese Änderung wiederum brachte ein Änderung der Trefferlage auf 70m von +4cm.
Soviel zum Ausschießen der Trefferlage in Abhängigkeit des Sehnenstandes in 2mm Schritten auf 10m in 2mm Schritten....
Und damit beziehst du dich vermutlich sogar auf die vertikale Trefferlage, während der Kollege Lüpkemann ja behauptet, so die horizontale Streuung begrenzen zu können. Dazu habe ich zwar noch eine Theorie, aber da muss ich erstmal drüber schlafen. ;)

Die Daten sind auf jeden Fall schonmal sehr hilfreich, dann sie widerlegen die Behauptung, dass eine Erhöhung der Standhöhe grundsätzlich zu einer Verringerung der Anfangsgeschwindigkeit führen würde. Von wegen geringerer Beschleunigungsweg und so. Selbst wenn es andersherum wäre, die Unterschiede sind so marginal, das wird von zig anderen Sachen überlagert.

Grüße,
Andreas

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 23. Nov 2020, 14:46
von NichtMehrDa01
ullr hat geschrieben: 22. Nov 2020, 12:40 Sollten mit diesen geringen Unterschieden Treffbilder zu beurteilen sein, dürfte dies ein aussichtsloses Unterfangen sein, jedenfalls im normalen Trainingsbetrieb. Auch diese Treffbilder müssen ja ausgewertet werden und ich bin mir ziemlich sicher dass die Schwankungen (Lösen) im biologischem Bereich die zu erwartenden Unterschiede locker überdecken. Das ginge nur und nur mit einer Schießmaschine und hohem Meßaufwand.
Da hast du sicherlich recht. Lass mich trotzdem gerade mal laut denken... Nehmen wir mal an, wir hätten einen Schützen, der mit einer ähnlichen Konstanz wie eine Schießmaschine löst. Nennen wir den einfach mal Kim Woo-jin ;)

Weiter nehmen wir an, dass die Pfeile unseres Schützen stets konstant 1mm rechts des lateralen Nullpunkts der Sehne ausnocken würden. Nach meiner überschlägigen Berechnung würde das dem Pfeil eine Winkelabweichung von etwa -0,25° mit auf den Weg geben. Und die würde auf eine Distanz von 50m zu einem seitlichen Versatz von ca. 0,2m führen.

(Zugegeben, das berücksichtigt jetzt nicht, dass der Pfeil der Geraden zwischen den Knotenpunkten folgt. Also ist die Abweichung tatsächlich deutlich geringer. Ist aber für die Betrachtung nicht weiter wichtig, solange wir akzeptieren, dass das versetzte Ausnocken dem Pfeil überhaupt eine Abweichung mit auf den Weg gibt.)

Ein so konstanter Schütze hätte diese Abweichung also bei jedem einzelnen Schuss, weil der Pfeil ja immer exakt zum gleichen Zeitpunkt ausnocken würde. Beim Walkback Test würde sich also ein klassisches Bild ergeben (/), was man dann versuchen würde, über die Center Einstellung zu kompensieren. Das würde zwar funktionieren, aber nicht die Ursache des Problems beheben.

Soweit in der Theorie richtig, oder ist mir hier bereits ein Denkfehler unterlaufen?

Falls nicht, dann zurück zum Otto-Normal-Schützen: Der löst "mal so, mal so", und der Pfeil nockt mal links mal rechts vom lateralen Nullpunkt aus. Wenn der Pfeil links vom Nullpunkt ausnockt, dann wird der Impuls jedoch vom Button gedämpft. Nockt er aber rechts vom Nullpunkt aus, dann nicht. Folglich dürfte der seitliche Versatz im zweiten Fall größer sein. Wenn diese Überlegung stimmen sollte, dann wäre es (im Sinne eines fehlertoleranten Setups) besser, die Einstellung so zu wählen, dass der Pfeil tendenziell eher links vom Nullpunkt ausnockt. Um also, trotz der Varianz des Schützen, ein zu spätes Ausnocken möglichst zu verhindern.

Das alles, vorausgesetzt man kann den Zeitpunkt des Ausnockens tatsächlich präzise über die Einstellung der Standhöhe bestimmen. Und auch nur dann, wenn die ausgeschossenen Gruppen nicht von anderen Faktoren überlagert werden. Also recht theoretisch, aber für mich einigermaßen schlüssig.

Grüße,
Andreas

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 23. Nov 2020, 23:16
von NichtMehrDa01
NichtMehrDa01 hat geschrieben: 23. Nov 2020, 14:46 Wenn der Pfeil links vom Nullpunkt ausnockt, dann wird der Impuls jedoch vom Button gedämpft. Nockt er aber rechts vom Nullpunkt aus, dann nicht. Folglich dürfte der seitliche Versatz im zweiten Fall größer sein.
Ich zitiere mich mal selber und muss feststellen, dass diese Behauptung absoluter Blödsinn ist. :lol: Das war wohl dem Versuch geschuldet eine Erklärung dafür zu finden, dass der Herr Lüpkemann ein Ausnocken links des Nullpunkts nur "schlecht" findet, während ein Ausnocken rechts des Nullpunkts schon fast katastrophal sein soll. Egal, den Button berührt der Pfeil in dieser Phase sowieso nicht mehr. Hoffentlich ;)

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 30. Nov 2020, 16:48
von ullr
NichtMehrDa01 hat geschrieben: 23. Nov 2020, 14:46 ...
Falls nicht, dann zurück zum Otto-Normal-Schützen: Der löst "mal so, mal so", und der Pfeil nockt mal links mal rechts vom lateralen Nullpunkt aus. Wenn der Pfeil links vom Nullpunkt ausnockt, dann wird der Impuls jedoch vom Button gedämpft. Nockt er aber rechts vom Nullpunkt aus, dann nicht.
...
Diese Überlegung könnte richtig sein. Möglicherweise kommt daher der Vorschlag, bei der Abstimmung der Pfeile diese so zu wählen, dass tendentiell der unbefiederte Pfeil einen Ticken nach Links sitzt (Rechtshandschütze), möglicherweise hat sich das in der Praxis bewährt. Ich habe die letzten Abstimmungen (ist schon eine Weile her) in dieser Richtung durchgeführt.
Das alles, vorausgesetzt man kann den Zeitpunkt des Ausnockens tatsächlich präzise über die Einstellung der Standhöhe bestimmen. Und auch nur dann, wenn die ausgeschossenen Gruppen nicht von anderen Faktoren überlagert werden. Also recht theoretisch, aber für mich einigermaßen schlüssig.
Grüße,
Andreas
Nein. Da ist der Einfluss der Standhöhe zu gering (wenn es um Millimeterschritte geht)
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
ullr

Re: Standhöhe nach Lüpkemann

Verfasst: 30. Dez 2020, 17:56
von Abow
noch zur Praxis des Standhöhen-Testes nach
Henning Lüpkemann ab 37:54 im DSB-Video

(die Entfernungsangabe von 1 m erscheint
mir theoretisch)