Seite 2 von 2

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 20. Aug 2019, 12:47
von b_der_k_te
Danke an alle für ihre Beträge. Im ehemaligen Forum hatten viele von uns das schon durchgekaut. Nichts desto trotz finden sich hier ebenso neue Mitglieder für die das Thema wahrscheinlich unbekannt ist.
Mittlerweile wurde die Arbeit von meinem Kollegen dem Autor ins englische übersetzt und eine gekürzte Version davon (2400 Wörter) wurde vom Magazin BOW INTERNATIONAL gekauft. Ich vermute sie wird in einen der nächsten Ausgaben veröffentlicht.

Jener Artikel im Glade war für mich überhaupt der Anlaß mich damit zu beschäftigen.
Die aktuelle Arbeit unterscheidet sich insofern davon das eben keine Monte Carlo Methode mehr notwendig ist, sondern "sauber" statistisch (über Wahrscheinlichkeiten) berechnet worden ist.
Im ersten und sehr schnellen Schritt bekommt man dadurch den durchschnittlichen Ring-Gewinn wenn man Pfeil X mit Pfeil Y eines Schützes mit bestimmten Leistungsniveau vergleicht. Das ist gar nicht so neu wie man vielleicht vermutet. So haben schon viel schlauere Köpfe vor einigen Jahren den durchschnittlichen Score eines Schützen / einer Schützin berechnet. Das funktioniert sogar unabhängig davon auf welche Distanz, welche Auflage und wieviele Pfeile geschossen werden. Wir haben einfach nur zwei unterschiedliche Pfeile auf 18m hergenommen.

Der zweite Schritt ist schon etwas besonder. Es wurde nicht nur geschaut wie es im Durchschnitt ausschaut, sondern wie stark können die Scores eigentlich variieren, selbst wenn das Leistungsniveau des Schützen sich gar nicht verändert. Das ist, finde ich, ein wesentlicher Punkt. Denn schon damals hat es mich irritiert wenn damit argumentiert wurde das durch Beobachtungen ein Vorteil von soundsoviel Ringen "festgestellt" wurden. Es war nie die Rede davon das mit dünnen Pfeilen auch mal mehr Ringe als mit dicken erzielt werden können.
Selbst wenn der Schütze mehrere Durchgänge lang gleich gut schießt, können rein zufällig mal mehr und mal weniger Ringe als Gesamtscore heraus kommen. Und das - dieser Zufall - kann man in der Statistik gut beschreiben. Das was man da berechnet ist noch dazu die ideal kleinstmögliche Schwankungsbreite. Real sieht es meist schlimmer aus. Auch das gibt es bei Anwendungen im Bogensport bereits, z.B. bei Archery Score Pad in Form einer statistischen (+/-) Kennziffer. Darüber kann man schon etwas besser beurteilen ob es einen relevanten Vorteil bringen könnte auf dickere Pfeile zu wechseln. Denn wenn die Kennziffer größer ist als der durchschnittliche Ring-Gewinn, dann verpufft der Vorteil im Rauschen der Score-Schwankungen. [Nicht direkt im Rauschen der allgemeinen größeren (Treffer-)Streuung wie ullr es geschrieben hat geht es verloren, sondern in der sich daraus ergebenden größeren Score-Varianz die ein nicht so gute Schütze hat.]

Der dritte Schritt ist meines Wissens im Bogensport noch nicht angewendet worden. Es ist ein etwas detailierter Vergleich von Ring-Gewinn zu Score-Varianz. Über die Verteilungen der Scores beider Pfeiltypen kann man berechnen wie groß die Wahrscheinlichkeit ist überhaupt (zufällig) mit einem höheren Score abzuschließen. Es ist ein Bisschen so wie die Berechnung der Gewinnchancen beim Lotto. Ich vergleiche es gerne mit den Einblendungen im Fernsehen beim Poker-Spielen.


Auch wenn der Artikel des Glade selbst nicht mehr auffindbar ist, hat er aufgezeigt das man solche Dinge durchaus mathematisch untersuchen kann. Das war vor einigen Jahren, da hatte ich noch nicht einmal eine genaue Vorstellung was eine Monte Carlo Methode ist. :? Dabei ist es ein Überbegriff für Simulationen bei denen bewußt mit Zufällen gearbeitet wird.
Also habe ich angefangen das nachzubauen und lies am Computer Trefferbilder über diverse Modelle simulieren.
Im alten Forum haben mbf und ich über die Diskussionen eine sogenannte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion für die Treffer hergeleitet die schon sehr genau jener entsprach wie sie nun am Deckblatt des Artikels zu sehen ist. Nur hatten wir keinen Namen und schon gar keine Formel dafür um mathematisch etwas damit anfangen zu können. Erst später kamen wir auf die Rayleigh-Verteilung. Nur konnte ich selbst damit noch nicht wirklich etwas anfangen. Zum einen weil ich damals noch nicht den Zugang zu diversen Artikeln in Wissenschaftszeitschriften hatte die mir die Bestätigung gaben das Andere genau mit dieser Rayleigh-Verteilung rechneten, und zum anderen weil ich gedanklich zu sehr auf die Dichtefunktion der Verteilung fixiert war. Dabei muß man die Formel für die sogenannte Verteilungsfunktion anwenden. Als ich das herausgefunden hatte, stand das ehemalige Forum kurz vor dem Aus.

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 22. Aug 2019, 09:44
von ullr
Ich denke, mit dem Beitrag von Bernd im "Hidden Threads" dürfte das Thema "Dicke Pfeile" gegen "dünne Pfeile" erledigt sein. Dieser Thread ist ein herausragendes Beispiel für die Qualität dieses Forums.
Ich habe um 2005 herum, als ich die Ligamannschaft der Koblenzer SG trainiert habe, einer Schützin richtig dicke Pfeile gerechnet und gebaut.
Ihr Auszug war 600mm (von der Pfeilanlage aus gerechnet), die Endhaltekraft irgendwas um 134N.
Schaftkode X7 2012
Schaftlänge 765mm
Naturfedern 125mm lang, gerade geklebt. Die Pfeile sahen einfach geil aus und flogen wie an der Schnur gezogen.
Der Klicker war am Visierträger rund 100mm vor der Bogenvorderkante befestigt. Auch das war keine Bastelei, sondern alles paßgenau und gut aussehend. ;) Wie es sich für einen Schlosser gehört. :lol:
Da ging es aber eher darum Misses zu vermeiden, denn die waren besonders schmerzhaft, und das klappte meiner Erinnerung nach auch recht gut.
Es war eine gute Erfahrung für mich, denn es gehörte zu einer Überprüfung meines Modells an Extremstellen.
Und natürlich für die Schützin auch. ;)
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 23. Aug 2019, 15:21
von oko_wolf
Kitty hat geschrieben: 8. Aug 2019, 07:45 Mir ist das egal, ob ich mit dicken Pfeilen mehr Ringe schießen kann. Ich nutze Easton X 7 in der Halle, weil ich keine ACE oder andere Carbonpfeile auf 18m in Stramit hämmern kann. ...
Korrekt. Ausserdem sehen sie viel besser aus als die Stricknadeln :lol:

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 25. Aug 2019, 09:14
von ullr
oko_wolf hat geschrieben: 23. Aug 2019, 15:21
Kitty hat geschrieben: 8. Aug 2019, 07:45 Mir ist das egal, ob ich mit dicken Pfeilen mehr Ringe schießen kann. Ich nutze Easton X 7 in der Halle, weil ich keine ACE oder andere Carbonpfeile auf 18m in Stramit hämmern kann. ...
Korrekt. Ausserdem sehen sie viel besser aus als die Stricknadeln :lol:
[OT]
Hhmmm, Hhmmmm.... Stricknadeln mit 120mm langen, gewundenen Naturfedern sind auch nicht schlecht. Weder im Flug (wenn man denn richtig abgestimmt hat, noch im Köcher.
:lol:
Gruß, schönen Sonntag und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
[/OT]

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 6. Sep 2019, 08:04
von Montalaar
ullr hat geschrieben: 25. Aug 2019, 09:14 [OT]
Hhmmm, Hhmmmm.... Stricknadeln mit 120mm langen, gewundenen Naturfedern sind auch nicht schlecht. Weder im Flug (wenn man denn richtig abgestimmt hat, noch im Köcher.
:lol:
Gruß, schönen Sonntag und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
[/OT]
Weil es so schön ist und hier nicht hinpasst. Einmal darfst du raten was ich in der Halle mit dem Recurve schiesse. Stricknadeln mit 140mm langen, auf ein paar Grad Offset geklebten, Naturfedern. Bei jedem Match ein Eyecatcher und über Ergebnisse konnte ich mich bislang nicht beklagen. :lol:

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 9. Sep 2019, 17:17
von Burki
Als ich dieser Tage den Betrag vom Christian mit den Stricknadeln und 125er Naturfedern gelesen hatte, brannte es mir in den Fingern.
Habe die winzigen Alibinaturfedern von meinen ACEs runtergeschält und 100er Naturfedern mit etwas ofset aufgeleimt.
Und?
Bin begeistert. Brauchte nichts am Bogen ändern, sogar gleiche Visiereinstellung auf 30m
Auf 18m muß ich lediglich einige Klicks nach links verstellen.
Macht echt Spaß und sieht imposant aus, was wiederum noch mehr Spaß bereitet. :)

Einen Unterschied zwischen X7 und den dünnen ACEs konnte ich für mich nicht ausmachen, habe das mit einem Kollegen in der Halle 3 - 5 Tage die Woche bei jeweils 200 - 300 Pfeilen für mich ausgetestet und notiert.

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 15. Okt 2019, 10:57
von mbf
b_der_k_te hat geschrieben: 20. Aug 2019, 12:47 Also habe ich angefangen das nachzubauen und lies am Computer Trefferbilder über diverse Modelle simulieren.
Im alten Forum haben mbf und ich über die Diskussionen eine sogenannte Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion für die Treffer hergeleitet die schon sehr genau jener entsprach wie sie nun am Deckblatt des Artikels zu sehen ist. Nur hatten wir keinen Namen und schon gar keine Formel dafür um mathematisch etwas damit anfangen zu können. Erst später kamen wir auf die Rayleigh-Verteilung. Nur konnte ich selbst damit noch nicht wirklich etwas anfangen. Zum einen weil ich damals noch nicht den Zugang zu diversen Artikeln in Wissenschaftszeitschriften hatte die mir die Bestätigung gaben das Andere genau mit dieser Rayleigh-Verteilung rechneten, und zum anderen weil ich gedanklich zu sehr auf die Dichtefunktion der Verteilung fixiert war. Dabei muß man die Formel für die sogenannte Verteilungsfunktion anwenden. Als ich das herausgefunden hatte, stand das ehemalige Forum kurz vor dem Aus.
Was mir gerade eigefallen ist, Du hattest damals verschiedene Ansätze getestet. Da war die MC-Rechnung (mit unterschiedlichen Ansätzen für die Zufallszahlen), 2-D-Gauss und Rayleigh. Du hattest mir mal geschrieben, dass Du mitunter leicht abweichende Resultate erzielt hast und eine gewisse Skepsis mitschwang. Was hat Dich dazu bewogen, von der MC-Simulation (die ja auch ihren Charme hat) eher abzurücken und zur Funktion überzugehen?
Rayleigh ist sicherlich die schlankste Möglichkeit, da man das rechenintensive Simulieren vermeidet und die Darstellung direkte Resultate liefert, ohne die systemimmanenten Unsicherheiten einer MC-Rechnung.

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 29. Okt 2019, 17:10
von b_der_k_te
Grüß Dich mbf,
Die MC-Simulation mag einen gewissen Charme haben, und doch empfand ich sie als eine gewisse Krücke die notwendig war um voran zu kommen. Deshalb bin ich auch nicht missmutig oder verärgert darüber es damals so gemacht zu haben. Das alles (die Reihenfolge hast Du richtig wieder gegeben) waren wichtige Schritte in der Entwicklung.
Hatte ich tatsächlich leicht abweichende Resultate festgestellt? Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, vor allem nicht in welchem Kontext sich das befand. Die MC-Simulationen lieferten sowieso stets leicht schankende Werte. Das war recht leicht einzusehen, denn trotz abertausender Simulationen waren es immer noch zuwenige um es 100%ig fest zu machen. Wie nennst Du es: systemimmanenten Unsicherheiten. 8-) Aber um einen guten Eindruck und eine Tendenz zu bekommen war es äußerst hilfreich.
Vor Allem aber konnte mir die MC-Methode noch nicht die Antworten auf bestimmte Fragen liefern. Daher vielleicht die Skepsis; hatte ich doch den Eindruck das sich die Antworten nur verbargen und mit der richtigen Methode zeigen würden.

Die Berechnung über die Formeln der Rayleigh-Verteilung geht wesentlich schneller als die Simulationen, verbraucht deutlich weniger Speicherplatz und repräsentiert die statistisch reinste Betrachtungsweise. Damit war ich schnell überzeugt das ich nicht weiter suchen brauche um womöglich noch etwas Besseres zu finden.
Eine Formel für eine Verteilung liefert halt exakte Prozentwerte für bestimmte Wahrscheinlichkeiten. Bei der MC-Methode waren mir diese Werte immer zu schwammig. Die Simulationsergebnisse hatte ich eine Zeit lang über Verteilungsfunktionen idealisiert. Mittels Binomial-Verteilung für sehr gute Schützen und über Erlang für nicht so gute Scores. Doch spätestens bei Miss-Treffern versagten auch diese Annäherungen.

Mit der Erkenntnis das die Rayleigh-Formeln tatsächlich anwendbar sind, war es ja noch nicht erledigt. Es hat dann noch weitere Entwicklungsschritte gebraucht. Erst damit konnte ich mich einer meiner wesentlichsten Fragen annähern: Wenn Jemand meint er/sie schießt im Schnitt den Score XY, wie groß ist dann im Normalfall die natürliche Score-Schwankung dieser Person?

Re: Dicke vs. dünne Pfeile / Indoor

Verfasst: 31. Okt 2019, 21:17
von mbf
Hallo Bernd,
ich meine, das war eine Aussage von Dir im alten BSF. Das war irgendwo, als Du von MC aus neue Wege gesucht hast. Klar, dass es bei einem solchen Übergang (nennen wir es mal großspurig Paradigmenwechsel) zu Abweichungen kommen kann. Und dann zweifelt man eher am neuen statt am alten, bewährten Modell. Aber Schwamm drüber, es ist aus analytischer Sicht immer praktikabler, eine Handvoll beschreibender Formeln zu haben statt eine MC-Rechnung. Mit MC konnte man ja auch die Schwankungsbreite abschätzen (ich sage bewusst nicht "berechnen"), aber was "Wie" blieb im Dunkel. Und es gibt kaum etwas Frustrierenderes, als die Lösung im Nebel vor sich zu sehen, sie aber nicht greifen zu können. Insofern war das schon ein großer Schritt.

Und, nein, ich bin beim Anblick des sheets damals nicht spontan farbenblind geworden... :D