Seite 1 von 2

Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 4. Aug 2019, 19:22
von rstoll
Hallo in die Runde,
was ist eure Meinung zum thema Coaching? Gerade wieder bei der DM in Berlin erlebt: Im Bereich hinter dem Geräteraum fast kein Durchkommen, "Spießrutenlauf" um Spektive der "Betreuer" herum, die Pfeil für Pfeil ihren Schützen ERgebnisse und Trefferlage ansagten, Schützen die sich nach jedem Schuss fragend zu ihren Betreuern nach hinten umsahen.
Ich habe mit meinen Schützen festgelegt, dass Sie von mir nur dann eine Ansage erhalten wenn ich eine grundsätzliche "Fehlersituation" ausmache, die noch in der Passe korrigiert werden kann/sollte. Alles andere bespreche ich nach der Passe.
Habt ihr hier andere Ansichten/Meinungen?

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 4. Aug 2019, 20:06
von oko_wolf
rstoll hat geschrieben: 4. Aug 2019, 19:22 ... die Pfeil für Pfeil ihren Schützen ERgebnisse und Trefferlage ansagten, ...
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was diese Ansagen bringen soll, besonders auf dem Niveau was dort geschossen (die Topleute ausgenommen) wird. Der einzelne Pfeil sagt zunächst einmal nur wenig aus, falls man nicht einen eklatanten Fehler gemacht hat. Wenn der zweite ähnlich landet, kann man eventuell schon etwas sagen (z.B. Rot, tief)
Als Schütze ist es mir recht, wenn ich z.B. gesagt bekomme: "liegen tief", wenn ich selbst die Trefferlage aufgrund der Lichtverhältnisse nicht erkennen kann. Die Ringzahl selbst bringt mir nichts, schon gar nicht bei jedem Pfeil. Würde mich nervös machen.

Bei unserem Bundestrainer, der schon mal Sachen wie: "9,2 auf 4 Uhr" sagt, bin ich nicht sicher, was er damit bezweckt. Ich glaube nicht, daß selbst diese Schützen Zentelkorrekturen machen können.
rstoll hat geschrieben: 4. Aug 2019, 19:22 ... Schützen die sich nach jedem Schuss fragend zu ihren Betreuern nach hinten umsahen....
Verstehe ich auch nicht, da fehlt es meiner Meinung nach etwas am Selbstvertrauen. Wenn nach einem deutlichen Fehlschuß fragend geschaut wird, ist das nachvollziehbar, eventuell hat der Trainer/Betreuer erkannt, woran es lag.
rstoll hat geschrieben: 4. Aug 2019, 19:22 ... die Pfeil für Pfeil ihren Schützen ERgebnisse und Trefferlage ansagten, ...
Für viel wichtiger halte ich es, dem Schützen verbal Hilfestellung zu geben, wenn er in Probleme kommt. Klare Ansagen wie "Kopf hoch", "Mutig"... helfen dann meiner Meinung nach mehr.

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 4. Aug 2019, 22:56
von heisem
Die Betreuerkarten wurden in Berlin recht freizügig ausgegeben. Jeder Schütze konnte eine Karte bekommen. Irgendwann ist dem DSB das auch aufgefallen und man hat um Rückgabe nicht weiter gebrauchter Karten für den zweiten Tag gebeten...
Neben mir schoss ein Schütze, der seine Tochter als Betreuung mitgebracht hatte. Sie war unsicher und konnte ihm oft keine Hilfe geben, verbrauchte aber Platz, wo es eh schon eng herging.
Mir wurde auch angesagt, aber von jemandem, der den Mitschützen aus meinem Zweitverein neben mir coachte. Wirklich geholfen hat es mir nicht, allerdings habe ich die Zeit gespart, mit dem Feldstecher nach meinen Pfeilen zu suchen, falls es nötig gewesen wäre.
Ich selbst fände es am besten, wenn niemand im Bereich der Schützen Zugang hätte, ggf. vielleicht noch Landes- und Bundestrainer. Die Stühle sollten nur für die Schützen sein, denn der Platz ist eh schon eng genug. Betreuer können ihre Spektive auch hinter dem Schützenbereich aufbauen und der Schütze holt sich die Hinweise nach der Passe. Fragt sich nur, wer das kontrollieren soll...

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 5. Aug 2019, 06:18
von rstoll
heisem hat geschrieben: 4. Aug 2019, 22:56 Mir wurde auch angesagt, aber von jemandem, der den Mitschützen aus meinem Zweitverein neben mir coachte. Wirklich geholfen hat es mir nicht, allerdings habe ich die Zeit gespart, mit dem Feldstecher nach meinen Pfeilen zu suchen, falls es nötig gewesen wäre.
Welchen Gewinn/Nutzen ziehst Du aus diesen Ansagen? Geht es Dir dabei mehr um Tendenzen oder um Bestätigung einzelner geschossener Pfeile? Ist für Dich dabei der Pfeilwert von Bedeutung?

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 5. Aug 2019, 07:43
von Kitty
Bei der Landesmeisterschaft war jemand hinter mir und hat geguckt, wo ich hinschieße. Manchmal habe ich mich umgeguckt. Am Gesichtsausdruck konnte ich erahnen, in welcher Farbe der Pfeil war. Beim Zurückgehen hat er mir gesagt, ob Pfeile nicht im Soll waren.
Mit meinen Seheinschränkungen kann ich keine Pfeile in der Scheibe sehen. Ich sehe sie meistens im Flug und schaue, ob sie einen Seitenversatz haben. Seitenstreuung ist bei mir deutlich mehr als Höhenstreuung.
Ansagen hätte mir im Maifeld beim Nachschießen geholfen, da ich wegen gleicher Nocken nicht wusste wo meine Pfeile landen. Musste darauf vertrauen, dass kaum Seitenversatz zu sehen war. In Berlin war ich alleine auf mich gestellt.

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 5. Aug 2019, 09:26
von bkr_hro
Aus unserem Landesverband (MV) schaffen es 1..3 Starter zur DM.
Und so war ich in den letzten jahren mehrfach als Coach mit vor Ort. Als Vereins-Coach - auf LV-Ebene passiert da nix. Ich hatte einen Jugendlichen / Junior, der es in diese Leistungebene geschafft hatte.
Ja, ich hab den "C-Schein", und stelle fest, dass dort junge Sportler antreten, die aus den Heimatvereinen wohl gar keine Unterstützung bekommen.
Da reisen dann teilweise Mama und Papa mit, die sitzen nebeneinander in bequemen, teils auch ausladenden Campingstühlen und gucken begeistert, aber oft auch ohne Ahnung durchs Glas. Technische, fachliche Hilfe fast gleich Null, aber unbestritten hilft ja oft schon die Anwesenheit, zumindest manchmal.
Ich baue mein Spektiv rechts hinter dem Sportler auf, so dass ich ihn im Endzug und beim Lösen sehe und auch die Scheibe dann im Objektiv habe.
Wenn der Schütze Fragen hat, schaut er zu mir, und ich kann ihm entweder technische Tipps geben oder mittels vereinbarter Handzeichen die Trefferlage mitteilen. Notfalls erfolgt für den dritten Pfeil die Ansage, dass das Visier gestellt werden soll. Das Ganze erfolgt zu 99% lautlos.
Anschließend gibt es "hinten" die Analyse, woraufhin dann oft das Visier wieder zurückgestellt werden kann, da der Fehler erkannt und abgestellt wurde.

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 5. Aug 2019, 14:11
von heisem
rstoll,
zu oben: Wenn ich (wie meistens) ohne fremde Ansage schieße, stelle ich das Visier nach der bewerteten Mittellage der letzten Passe nach. Dann gucke ich nach ca. zwei Pfeilen mit dem Fernglas, ob das passt oder ob ich nachstellen sollte, um dann die restlichen Pfeile zu schießen. Die Ansagen in Berlin haben lediglich den Zeitverlust des selbst Schauens verringert.
LG Heiko

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 5. Aug 2019, 14:49
von ullr
heisem hat geschrieben: 5. Aug 2019, 14:11 rstoll,
zu oben: Wenn ich (wie meistens) ohne fremde Ansage schieße, stelle ich das Visier nach der bewerteten Mittellage der letzten Passe nach. ...
LG Heiko
Genau richtig. Man sollte immer nach dem Mittelwert der Passe verstellen. Also immer mind. drei Pfeile bewerten. Sog. Ausreißer sollten nur ignoriert werden, wenn der erfahrene Schütze den Grund des Ausreißers weiß.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 14. Okt 2021, 10:18
von mark1968
Ich denke, es ist immer eine sehr individuelle Sache des Schützen und des Trainers, was man dann an der Schießlinie haben möchte. Ab einem gewissen Niveau macht es schon Sinn, dem Schützen den genaueren Wert (z.B. "9,1 auf 3Uhr" o.ä.) anzusagen. Wobei ich/wir inzwischen dazu übergegangen sind mit einer solchen Scoring-Karte (siehe Bild) zu arbeiten. Mein Schütze kann diese i.d.R. sehr gut die kleinen Magnete erkennen und ich muss nicht (unnötig) durch die Gegend "brüllen". :roll: Wichtiger sind dann (vorher abgesprochene) Ansagen wie:
"Fester Anker" oder "schön auseinander" o.ä.
Wir legen diese Begriffe vor einem Turnier fest. Sie sind abhängig davon, was mein Schütze dann eben gerade für Baustellen hat. Wenn er denn welche hat.

Solche Begriffe haben wir natürlich zum Einen vorher besprochen, aber eben auch trainiert. Gerade die Finals bedürfen einer vernünftigen Schütze-Trainer Besprechung im Vorfeld. Hier im Finalmodus hat sich auch (für uns) herausgestellt, dass die exakte Ansage von jedem Pfeiles zusätzlich zum Scoreboard sinnvoll ist. Erst nach einer Passe macht u.U. nicht wirklich Sinn, da dann der Satz schon verloren sein kann. Hier muss u.U. beim nächsten Pfeil schon reagiert werden. Der Druck (die mentale Belastung) ist natürlich immens höher als in einer 36er Qualirunde.
Und JA, Schützen mit so hohem Niveau können durchaus etwas mit der Info im Zehntelbereich etwas anfangen. Wobei wir uns einfach auf "ungerade" Nachkommastellen eingespielt haben- 1,3,5,7,9

So weiß mein "Padawan" spätestens nach dem zweiten Pfeil, dass er bei Bedarf gfl. etwas vorhalten muss. Das Visier stellt er erst, wenn sich eine gewisse regelmäßige Abweichung nach einer gesamten Passe ergibt. Das kann man so machen, muss man aber nicht. ;)

Gruß
der Markus

Re: Pfeilwerte ansagen

Verfasst: 14. Okt 2021, 13:17
von rstoll
Ich sehe das wie folgt:
Jeder Schütze hat eine gewisse Streukreis-Größe. Und innerhalb dieses Streukreises sind Treffer mal links, mal rechts, mal hoch und mal tief angeordnet.

Wenn der Schütze seinen Schuss sehr gut reflektieren kann und sicher von der Trefferlage auf eine individuelle Fehlerursache im Bewegungsablauf rückschließen kann (oder das Ergebnis als ausreichend gut im Streukreis liegend akzeptiert), kann meines Erachtens eine Trefferansage zu einer Fokussierung auf einen besseren Ablauf beim nächsten Schuss bzw. zu einer Bestätigung führen.

Fehlt hingegen diese Sicherheit bzw. ist die Ursache für die „Fehltreffer“ in einem Konglomerat von unterschiedlichen Schwächen zu suchen (und/oder deren abwechselnde zufällige Abfolge), sehe ich eine Trefferansage nicht zielführend, eher sogar destruktiv, wenn sich der Schütze aus dem Ergebnis dann etwas zusammenreimt.

Interessant finde ich auch immer, dass Schützen gerade bei Ausreißern sich immer wieder fragend umsehen und auf Ansage/Lösungsvorschläge warten. Hier kann ich doch allenfalls meiner Meinung nach allgemein motivierend/fokussierend wirken. Ich jedenfalls traue mir nicht zu, hier sofort eine passende Diagnose zu bringen, da ich allenfalls eine Stelle des Schützen im Ablauf gezielt beobachten kann und ggf. bzw. sogar wahrscheinlich in vielen Fällen den wahren Grund gar nicht sehe (und auch aus dem Ergebnis orakeln müsste). Und selbst wenn ich eine Ursache zufällig gerade gesehen habe, kann durch eine zweite, zeitgleiche Ursache ein Ergebnis überlagert und damit verfälscht werden.

So ein Tableau finde ich eine gute Sache, speziell um den Schützen einen Überblick über ihre Trefferlage zu geben, was aber auch erst nach einer Zahl von 3 Pfeilen aufwärts einen Blick wert sein sollte.