Wie funktioniert mentales Training?

Methodik, Mentales, ...
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mark1968
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

ullr hat geschrieben: 22. Feb 2023, 07:16 ....
Nebenbemerkung: Ab hier ist m.M.n. erst mentales Training möglich und wird mit der Leistungssteigerung des Schützen immer wichtiger, bis es praktisch "am wichtigsten" ist.
Klappt das alles und darf ich den jetzigen Schützen weiter beobachten, versuche ich, ihn zu einem Kurs "Autogenes Training" zu bewegen, bitte ihn, ein "Mantra" über den inneren Ablauf (vom Spannen des Bogens bis zum Schuss) aufzuschreiben (das will ich nicht wissen und das sollte auch kein anderer erfahren) und auswendig zu lernen).
Dieses Mantra solle der Auszubildende dann öfters im "Autogenen Training" vor dem Schießen und auch zu Hause, auf dem Stuhl sitzend durchgehen. Wenn es gut klappt, ist das auch in Verbindung mit der vernünftigen Anwendung des Therabandes eine erstklassige Vorbereitung vor dem ersten Trainings- oder Wettkampfschuss.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
Hier muss ich dir leider widersprechen, Christian. Diese Vorgehensweise, die in vielen Vereinen auch so praktiziert wird, ist in meinen Augen mit eine Ursache dafür, dass Mentaltraining später schwerer eingebaut werden kann und es meistens dann auch eher im Sande verläuft. Dazu muss man aber erst einmal festlegen, wo Mentaltraining beginnt. Für mich beginnt es grundsätzlich schon mal mit der Einstellung, der Motivation.

Welche Motive und auch Ambitionen hat der Schütze für den Sport? Hier kann man schon selektieren, wie tief und intensiv ein Mentaltraining mit auf- und ausgebaut werden sollte.
Der "ich schieße dann mal ab und an was zum Spaß"-Schütze braucht sicherlich nicht regelmäßig intensive Einweisungen ins Mentaltraining. Aber bei denjenigen, die sehr ambitioniert von Beginn an sind, muss man die Sportpsychologie von Anfang an einbauen.
Es sollte auch jedes Training von einleitendem Mentaltraining begleitet werden, damit störende Faktoren aus Schule, Privatem, Beruf etc. außen vor gelassen werden können. Visualisieren, Konzentration-, Atem- und Entspannungsübungen gehören nicht nur in ein späteres Turnierleben, sondern auch in jede Trainingseinheit. Startet man erst, wie du vorschlägst später haben sich "Gewohnheiten" rund ums Training und Turnier schon so konditioniert, dass man als Mentaltrainer dort dann schwerer an die Basis herankommt.

Gruß
der Markus
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bkr_hro
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von bkr_hro »

Vielleicht bringe ich jetzt was durcheinander...
Viele Jahre (beginnend 1974) habe ich einfach nur geschossen, von Psychologie hart nie jemand gesprochen.
Ich war gut, 2x DDR-meister, 289 / 576 Ringe in der Halle, hab den blauen FITA-Stern... und heute: bin ich weit weg von den 500... leider in der falschen Richtung.
Mir ist sehr wohl klar, dass ein Recurver mit 60+ wohl kaum nochmal 289 Ringe schießt.

Aber wie kam es zu diesem Abstieg ?

Das eine: man ist gut, möchte gut bleiben, und erkennt, welche Auswirkungen Fehler haben können.
Man versucht also, Fehler zu vermeiden... kontrolliert sich / den Bewegungsablauf, kontrolliert also etwas, was nicht kontrollierbar ist (???)


Seit ca 10 Jahren steh ich an der Schießlinie, nehm den Bogen hoch, setz an..., ziehe und ziehe... und setz wieder ab. Komme nicht durch den Klicker.
Und dann schieße ich die 6 Pfeile in den letzten 90 sec , bzw in der Halle alle 3 in 40 sec.
Alle haben's gesehen, gestaunt, gelästert... aber keiner hat den Grund erkannt.
Ich hatte teilweise kein Gefühl mehr für den Schuß, als Ausgleich jede Menge Frust, Trauer... den ganzen Sommer 2021 hatte ich den Bogen 2x in der Hand...
Hab den Klicker nach vorn geschoben - hat auch nix gebracht.
Irgendwann sagte mir ein Kollege "wieso bewegst denn du deinen Kopf ?"
???
wie bitte, was mach ich ? da begann das Suchen, die Analyse des Elends.

1. es passiert nicht immer !
2. meist / vorrangig, wenn da eine Auflage ist. Kaum mal beim schießen auf den blanken Dämpfer
3. es ist nicht aus jeder Blickrichtung zu erkennen !

4. leichte WuA genommen, Distanz max 5 Meter (hatte ich vorher auch, aber mit den regulären WuA)
5. und ja !!!ja, da war manchmal zu spüren, dass sich der Kopf bewegt.
5. und immernoch ja... derzeit gerne mal 10..15 Schuss alles gut, und dann passierts wieder

- ich schreibe hier bewusst nicht "dass ich den Kopf bewege"...
Ich bin ja ganz gewiss nicht der Einzige, der die Rübe nicht stillhalten kann. Aber wenns einem niemand sagt, dann verselbständigt sich auch so eine falsche Bewegung, automatisiert sich, und erfolgt unbewusst.

Ich zitiere mal den Markus und habe ein bischen was unterstrichen :
...Was uns eigentlich vom immer wieder gleichen/perfekten Schuss abhält sind unsere, ich nenne es mal Zweifel, dass wir dem Unterbewusstsein wirklich vertrauen können. ;)

Ich habe über die Jahr viele unterschiedliche Schützen aus allen Leistungsbereichen kennen gelernt und dennoch gab es nie eine einheitliche Aussage darüber, wer sich wo wann auf was genau konzentriert. Das wäre ja dann eher ein Indiz dafür, dass das Meiste unbewusst abläuft, oder? Ob dem wirklich dann so ist, ist für den Schützen selbst oft nicht genau festzustellen.

...Durch die Langzeitpotenzierung schulen wir unser Gehirn, in seinen neuronalen Verbindungen gestärkt/schneller, auf bisher Erlernte (nach und nach Konditionierte) zuzugreifen. Je öfters wir nun eine Bewegung immer wieder gleich ausführen, desto besser ist die Bewegung konditioniert.
Und zwar an beiden Punkten: Den Nervenzellen, die den Befehl auslösen (eben der konditionierte, oft in Teilen unbewusst ablaufende Schussablauf) und dem Muskelgedächtnis, wo dieser (durch viele Wiederholungen bekannte) Befehl ausgeführt wird...
Es hat sich also mein Kopf bewegt.
Und je langsamer ich den Bogen auszog, desto weiter bewegte sich der Kopf.
Zog ich schnell aus, blieb der Kopf stehen oder bewegte sich nur ein wenig...

Jetzt, wo ich weiß, was es zu bekämpfen gilt, kommt gaaaaanz langsam wieder (in kleinen Schritten) der Spass am Sport zurück.
Die Kollegen wissen auch, worauf sie bei mir gucken müssen (müssen... Hilfe ist ja immer noch freiwillig)

Und: der Klicker ist mehr als 15 mm nach hinten "gewandert".
Was "höheres" als die KM habe ich in diesem Winter nicht geschossen. Natürlich bin noch weit weg davon, diesen Mist wieder abgebaut zu haben

Mentales Training:
Es müssen "die richtigen Bewegungen" durch viiiieeeele Wiederholungen automatisiert werden.
Man muss sich sicher sein können, dass es die richtigen sind.
Und man muss sich darüber klar sein, dass man nicht immer auf höchstem (persönlichen) Niveau schießen kann, aber: es hilft enorm, zu wissen, was gerade "stört" / hindert.

Dann kommt Selbstvertrauen, und es verschwinden die Selbstzweifel.

Es ist derzeit viel Selbstbeobachtung, viel "in sich hineinschauen"

-----------------------
Rückblickend auf "bessereZeiten"..
wir waren zu einem Turnier, es war in dem inne ein Spassturnier, keine Meisterschaft o.ä.
Abends wurde gegrillt, und auch getrunken, ein wenig zu viel.
Morgens ging es mir nicht wirklich gut.
Während des gesamten Turniers ging es mir nicht wirklich gut.
Aber ich hab getroffen, war einer der besten 3.

Kann nur "Automatik" gewesen sein, denn ich dachte sehr viel mehr an Magen als an Bogen...
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rstoll
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von rstoll »

Hallo bhr_kro,

Dein Beitrag enthält nach meinem Empfinden sehr viel Tiefe und zeigt nicht wenige Teile des Themas auf.

Gehen wir von einem gefestigten Schißstil aus, der sich über jahrelange Wiederholungen eingeschliffen hat. Was kann dann also das Erzielen eines erwartbaren Ergebnisses beeinflussen.

1) Äußerlliche Einflüsse (Wind/temperatur, Lärm, Schattenwurf,...): Kann ich in dem Moment nicht beeinflussen, muss ich also so hinnehmen wie es ist. Was hilft: Auch dies alles ins Trainingsprogramm aufnehmen, hat aber nur am Rande mit Mentaltraining zu tun, außer "Erwartungshaltung anpassen".
2) Persönliche EInflüsse (Gesundheit): Kann ich im Moment nicht beeinflussen, muss ich so hinnehmen (Auch ein Stückweit mental: Anpassung der Erwartungshaltung)
3) Persönliche Einflüsse (körperliche Veränderungen, körperlicher "Abbau"): Mit Training ind Anpassung der Erwartungshaltung lösbar
4) Persönliche Einflüsse (hineintragen einer persönlichen Problemsituation in den Wettkampf): Hier kann man m.E. mit methodischen Bausteinen des Mentaltrainings sich fokussieren/Probleme nicht die Oberhand gewinnen lassen bzw. auf "nach den Wettkampf" schieben).
5) Hadern mit intrinsischer/extrinsischer Erwartungshaltung (sehe ich immer wieder speziell bei Jugendwettkämpfen): man will es den Eltern/den Trainern/sich selbst recht machen, misst sich an Ergebnissen aus dem routiniereten Trainingsablauf. Ein pfeil nicht im erwartetet Bereich und schon bricht die Welt zusammen. Hier sehe ich eine der Haupt-Einflussmöglichkeiten auf das Mentale.
6) Zweifel, von außen getriggert (machmal perfide im Wettkampf von Gegnern eingesetzt "Kommst heute nicht so gut in Deinen Ablauf rein", "Ist die Schraube gerade von Deinem Bogen abgefallen), ...): Einfach gesagt, für mich selbst aber schwierig umsetzbar, jedoch nicht unmöglich: "Weghören können", fokussiert bei der Sache (Technik, Ablauf) bleiben.
7) Selbstzweifel: Das wohl schwierigste Thema (zumindest im Jugendbereich,) aber ein Punkt, bei dem man mit Mentaltraining meiner Meinung nach am meisten bewegen kann.

Obiges ist jetzt mit Sicherheit nicht vollständig bzw. objektiv. Als (Jugens-)Trainer vor X Jahren mit diesen Beobachtungen konfrontiert war ich auf der Suche nach Lösungen bin ich nach zahlrechen Fehlkäufen von Büchern, Motivations-CDs (Autosuggestion), ... schlussendlich bei einer CD von Michael Draksal (Mentaltrainer-Akademie) "Mit mentaler Wettkampfvorbereitung zum Erfolg" gelandet. ich finde - das Geschäftsmodell Draksal lassen wir jetzt mal außen vor - die Inhalte liefern ein gutes Handwerkszeug (im wahrsten Sinne des Wortes) das ganze Thema Mentaltraining nicht als ein "wenig greifbares Etwas" zu sehen sonder ein Stück weit für sich selbst als Baukasten begreif- und nutzbar zu machen.

@Markus: das hatten wir bereits ja mal persönlich andiskutiert, ggf finden wir ja mal wieder die Gelegenheit ;-)
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von Abow »

Vielen Dank,

bkr_hro für die beeindruckende Schilderung und
die besten Wünsche für neuen Spaß am Bogensport!

rstoll für den Praxis-Tipp zum Handwerkszeug Mentaltraining!
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mark1968
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

rstoll hat geschrieben: 23. Feb 2023, 13:42 ....

Gehen wir von einem gefestigten Schißstil aus, der sich über jahrelange Wiederholungen eingeschliffen hat. Was kann dann also das Erzielen eines erwartbaren Ergebnisses beeinflussen.

1) Äußerlliche Einflüsse (Wind/temperatur, Lärm, Schattenwurf,...): Kann ich in dem Moment nicht beeinflussen, muss ich also so hinnehmen wie es ist. Was hilft: Auch dies alles ins Trainingsprogramm aufnehmen, hat aber nur am Rande mit Mentaltraining zu tun, außer "Erwartungshaltung anpassen".
2) Persönliche EInflüsse (Gesundheit): Kann ich im Moment nicht beeinflussen, muss ich so hinnehmen (Auch ein Stückweit mental: Anpassung der Erwartungshaltung)
3) Persönliche Einflüsse (körperliche Veränderungen, körperlicher "Abbau"): Mit Training ind Anpassung der Erwartungshaltung lösbar
4) Persönliche Einflüsse (hineintragen einer persönlichen Problemsituation in den Wettkampf): Hier kann man m.E. mit methodischen Bausteinen des Mentaltrainings sich fokussieren/Probleme nicht die Oberhand gewinnen lassen bzw. auf "nach den Wettkampf" schieben).
5) Hadern mit intrinsischer/extrinsischer Erwartungshaltung (sehe ich immer wieder speziell bei Jugendwettkämpfen): man will es den Eltern/den Trainern/sich selbst recht machen, misst sich an Ergebnissen aus dem routiniereten Trainingsablauf. Ein pfeil nicht im erwartetet Bereich und schon bricht die Welt zusammen. Hier sehe ich eine der Haupt-Einflussmöglichkeiten auf das Mentale.
6) Zweifel, von außen getriggert (machmal perfide im Wettkampf von Gegnern eingesetzt "Kommst heute nicht so gut in Deinen Ablauf rein", "Ist die Schraube gerade von Deinem Bogen abgefallen), ...): Einfach gesagt, für mich selbst aber schwierig umsetzbar, jedoch nicht unmöglich: "Weghören können", fokussiert bei der Sache (Technik, Ablauf) bleiben.
7) Selbstzweifel: Das wohl schwierigste Thema (zumindest im Jugendbereich,) aber ein Punkt, bei dem man mit Mentaltraining meiner Meinung nach am meisten bewegen kann.

Obiges ist jetzt mit Sicherheit nicht vollständig bzw. objektiv. Als (Jugens-)Trainer vor X Jahren mit diesen Beobachtungen konfrontiert war ich auf der Suche nach Lösungen bin ich nach zahlrechen Fehlkäufen von Büchern, Motivations-CDs (Autosuggestion), ... schlussendlich bei einer CD von Michael Draksal (Mentaltrainer-Akademie) "Mit mentaler Wettkampfvorbereitung zum Erfolg" gelandet. ich finde - das Geschäftsmodell Draksal lassen wir jetzt mal außen vor - die Inhalte liefern ein gutes Handwerkszeug (im wahrsten Sinne des Wortes) das ganze Thema Mentaltraining nicht als ein "wenig greifbares Etwas" zu sehen sonder ein Stück weit für sich selbst als Baukasten begreif- und nutzbar zu machen.

Hallo Ralf,

Du hast da schon die wichtigsten Punkte aufgeführt. Vollständig? Nun jaaaaaa... Ich sage mal so: Aus meiner Erfahrung heraus kannst Du eine solche Liste, wenn sie eben allgemeiner gelten soll und Erfahrungen eingebaut sind, fast unendlich fortsetzen. Einflussfaktoren können halt eben sehr vielschichtig sein und sollten m.M.n. auch immer individuell betrachtet werden. Natürlich lassen sich viele Sachen schon von der hohen Häufigkeit her, in einer (kleineren) Auflistung, wie von dir gemacht, erstellen. Das ist ja auch die Basis bzw. der Eingang zu der individuellen Anamnese. Aber du hast, wie gesagt, schon die Kernpunkte, die man abklären kann/soll, angeführt. :)

rstoll hat geschrieben: 23. Feb 2023, 13:42 @Markus: das hatten wir bereits ja mal persönlich andiskutiert, ggf finden wir ja mal wieder die Gelegenheit ;-)
Na, ich hoffe doch, dass wir mal wieder Gelegenheit dazu finden. :)

Gruß
der Markus
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mark1968
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

bkr_hro hat geschrieben: 23. Feb 2023, 12:43 ...
Mentales Training:
Es müssen "die richtigen Bewegungen" durch viiiieeeele Wiederholungen automatisiert werden.
Man muss sich sicher sein können, dass es die richtigen sind.
....
Ich bin ja auch inzwischen seit gut 47 Jahren im Bogensport unterwegs. Die ersten 15 Jahre sportlich sehr ambitioniert, später mal mit größeren Pausen und seit gut 15Jahren Mentaltrainermäßig ambitioniert im Sport. Ich habe dann nach und nach verstanden, dass ich viele Bewegungen beim Schießen immer noch gleich ausführe wie "damals". Andere (feinere) Bewegungen, wie z.B. der Endzug, fühlten sich zumindest "ähnlich" an. Und genau da liegt der Kern. Wir verlieren nicht die Fähigkeit Bogen zu schießen. Aber es gibt bei diesem komplexen Sport eben Feinheiten, die sich etwas verändern über die Jahre....
bkr_hro hat geschrieben: 23. Feb 2023, 12:43 ....
Und man muss sich darüber klar sein, dass man nicht immer auf höchstem (persönlichen) Niveau schießen kann, aber: es hilft enorm, zu wissen, was gerade "stört" / hindert.

Dann kommt Selbstvertrauen, und es verschwinden die Selbstzweifel.

Es ist derzeit viel Selbstbeobachtung, viel "in sich hineinschauen"

....
...und ist eben dann auch dem Alter geschuldet und auch der u.U. geringeren Trainingsintensität. Das war für mich oft recht frustrierend. Dass ich eben nicht mehr die Ergebnisse schießen konnte, die ich Jugendlicher und Junior geschossen habe. Meine Trainingseinheiten sind heute, wegen der Arbeit und weil ich dann doch eher meine Kraft und Zeit ins Coaching stecke, recht überschaubar. Aber wenn ich dann auf der Schießlinie stehe, mache ich das genau wie du: Ich beobachte mich sehr genau und auch wenn ich nicht zig Runden an einem Tag schieße, versuche ich diese "paar Schuss" so perfekt wie möglich zu machen. Manchmal braucht es ein Weilchen, aber oft genug bekomme ich dann auch vorne auf der Scheibe die Bestätigung, dass es (noch) funktioniert... ;)
Wie du sagtest: "Dann komm Selbstvertrauen und es verschwinden die Selbstzweifel."
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von bkr_hro »

5) Hadern mit intrinsischer/extrinsischer Erwartungshaltung (sehe ich immer wieder speziell bei Jugendwettkämpfen): man will es den Eltern/den Trainern/sich selbst recht machen, misst sich an Ergebnissen aus dem routiniereten Trainingsablauf. Ein pfeil nicht im erwartetet Bereich und schon bricht die Welt zusammen. Hier sehe ich eine der Haupt-Einflussmöglichkeiten auf das Mentale.
Hallen-DM des DBSV März 2018 in Bielefeld.
Ich sitze dort und coache meine beiden (u20m und u17w) Schützlinge und neben uns kommt ein Mädchen zu seinen Eltern - komplett in Tränen aufgelöst.
(Das sind die Momente, wo ich mich frage, ob die Vereine keine Trainer / ÜL haben....)
Sie beruhigt sich wieder oder wird beruhigt (ich war ja mit meinen beiden beschäftigt ...) und als dann alle beim Pfeileholen sind, frage ich den Papa "und, wieder gut ?".
Was sagt der ? "das passiert bei jedem Wettkampf. So ca 3. oder 4. Passe kommt kommt ein Einbruch, sie, heult, beruhigt sich, und dann gehts wieder."
Ich frage: "Und, willste nicht mal versuchen, dass es ohne Einbruch und Weinen geht ?"
Selten so große und ratlose Augen gesehen... Aber die waren auch mehr damit beschäftigt, sich über die (morgens) kühlen Temperaturen der Halle und dass sie wegen ihrer Winterstiefel angezählt worden waren, aufzuregen, als für das Mädchen was Sinnvolles zu tun / tun zu können.

Gleiche DM, etwas später, ich mache "meinem" Junior einen Spruch - und der coachende Kollege eines anderen Vereins guckt mich ratlos an: "Na, du bietest dem Jungen aber Sätze an..."
Ich: "Ja, der Bursche kann schießen, verdammt gut sogar, aber im Moment steht ihm sein Kopf im Weg. Also muss ich diese störenden Gedankenmuster aufbrechen, ihn aus dem Karussel rausbringen."
Was dann wie gewünscht geklappt hat, zum Staunen des Kollegen...

Klappt aber nur, wenn Sportler und Trainer sich kennen, sozusagen aufeinander eingespielt sind.

-------------
PS: Danke für die netten Worte hier im Forum...
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von b_der_k_te »

Darf ich hier mal mit einer Zwischenfrage reingrätschen?

Weil rstoll in seiner Auflistung so oft als Lösungsansatz "Anpassung der Erwartungshaltung" erwähnt hat.
Ist das aus Sicht des Mentaltrainers wirklich ein guter Rat?
Sollte ein Teil des Mentaltrainings nicht sein sich eine Erwartungshaltung komplett abzugewöhnen?
Natürlich gibt es verschiedene Arten einer Erwartungshaltung (Score, Platzierung, gutes Gefühl, technisch sauberes Schießen, usw.).
In dem Zusammenhang wie es rstoll geschrieben hat, erschien es mir in Richtung Score oder Platzierung und da würde ich sagen das Schützen im besten Fall eben keine Erwartungshaltung haben sollten.
Wenn ich mir Videos von WA-Matches ansehe, habe ich sehr oft den Eindruck das die Schütz:innen im Schuß zwar hochkonzentriert und ehrgeizig sind. Doch egal wo der Pfeil dann steckt, es scheint ihnen egal zu sein. Ich denke dann das sie schon so oft Zehner, Neuner (und Achter) geschossen haben, daß sie schon wissen das es mal so oder so kommt.
Man kann auch gesteckte Ziele zur Motivation als Erwartungshaltung einsetzen. Doch das sehe ich in dem Zusammenhang als eine anderes Thema.
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von bkr_hro »

Ich glaube, der (Hilfe)Schrei nach einem Mentaltrainer kommt dann, wenn ein Saisonhöhepunkt vor der Tür steht (und man ihn reinlassen will / muss :lol: )

Dann muss man körperlich fit sein.
Und dann muss man "im Kopf" bereit sein, auch die nicht exakten Treffer zuzulassen, zu akzeptieren.
Dann, in dem Moment, die gute Mine zum bösen Spiel machen können - und auch innerlich die ... 6 oder 7 ... "abzuhaken".
Wie sagt man ? weglächeln


Ich weiß nicht, ob man einen Saisonhöhepunkt total abgeklärt als "ist doch eigentlich nur ein PillePalle-Schießen" betrachten kann, auch sich selbst gegenüber so darstellen kann.

Irgendwo muss doch diese "Selbstmotivierung" herkommen ?
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

b_der_k_te hat geschrieben: 24. Feb 2023, 11:19 Darf ich hier mal mit einer Zwischenfrage reingrätschen?

Weil rstoll in seiner Auflistung so oft als Lösungsansatz "Anpassung der Erwartungshaltung" erwähnt hat.
Ist das aus Sicht des Mentaltrainers wirklich ein guter Rat?
Sollte ein Teil des Mentaltrainings nicht sein sich eine Erwartungshaltung komplett abzugewöhnen?
Natürlich gibt es verschiedene Arten einer Erwartungshaltung (Score, Platzierung, gutes Gefühl, technisch sauberes Schießen, usw.).
In dem Zusammenhang wie es rstoll geschrieben hat, erschien es mir in Richtung Score oder Platzierung und da würde ich sagen das Schützen im besten Fall eben keine Erwartungshaltung haben sollten.
Wenn ich mir Videos von WA-Matches ansehe, habe ich sehr oft den Eindruck das die Schütz:innen im Schuß zwar hochkonzentriert und ehrgeizig sind. Doch egal wo der Pfeil dann steckt, es scheint ihnen egal zu sein. Ich denke dann das sie schon so oft Zehner, Neuner (und Achter) geschossen haben, daß sie schon wissen das es mal so oder so kommt.
Man kann auch gesteckte Ziele zur Motivation als Erwartungshaltung einsetzen. Doch das sehe ich in dem Zusammenhang als eine anderes Thema.
Wie sooft sage ich mal JEIN. :) Ich denke, das auch das sehr individuell zu sehen ist. Wenn ich einen ambitionierten Schützen habe, der realistisch gesteckte Ziele hat, so kann diese Erwartungshaltung durchaus auch motivierend sein. Sie kann auch, wenn der Schütze den richtigen Fokus beherrscht genutzt werden, dass er bei jedem Schuss bei sich bleibt. Natürlich darf diese Erwartungshaltung nicht als Teil seines Schussablaufs sein oder werden. Denn dort geht es um den einen Schuss. Nicht den vorherigen nicht den nächsten. Ich habe verschiedenste Schützen. Da sind welche bei, die muss man seeeeeeehr vorsichtig coachen und eher mit Samthandschuhen anfassen und dann bringen sie auch ihre bestmögliche Leistung, aber dann sind da die Schützen, die mal gedanklich den "Klatsch in den Nacken" brauchen, um bei sich zu sein/zu bleiben. :D
Grundsätzlich gehört aber m.M.n. eine gewisse Erwartungshaltung als Teil der Zielsetzung durchaus mal mit dazu.

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