Wie funktioniert mentales Training?

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Sebastian Rohrberg
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Ich habe eine Frage.
Sollte der Schuss, im Speziellen der Endzug, bewusst oder unterbewusst ausgeführt werden?
Ist es möglich sein Unterbewusstsein zu schulen den Schuss perfekt auszuführen, oder ist es das Muskelgedächtnis das uns hilft die Bewegung perfekt auszuführen?
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mark1968
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 10. Feb 2023, 20:10 Moin.
Ich habe eine Frage.
Sollte der Schuss, im Speziellen der Endzug, bewusst oder unterbewusst ausgeführt werden?
Ist es möglich sein Unterbewusstsein zu schulen den Schuss perfekt auszuführen, oder ist es das Muskelgedächtnis das uns hilft die Bewegung perfekt auszuführen?
Hallo Sebastian,

da Du ja schon "ein wenig" Erfahrung im Bogensport hast (kleiner Scherz am Rande :D), hat sich Dein gesamter Schussablauf schon sehr konditioniert. Dadurch laufen die meisten Steps im Unterbewusstsein ab (siehe Bild 1)
1.png
Nun ist es aber so, dass wir beim Schussablauf nicht alles im Unterbewusstsein abarbeiten, sondern das Bewusstsein immer wieder "reinspringt" und die Kontrolle übernimmt.
Nun bist Du schon so lange in dem Sport drin, dass sich die neuronalen Verbindungen sehr gestärkt haben, dass Dein Gehirn hier sicher sehr schnelle Steps machen kann, also sehr schnell zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein hin- und herschaltet. (Siehe Bild 2)
2.png

Was uns eigentlich vom immer wieder gleichen/perfekten Schuss abhält sind unsere, ich nenne es mal Zweifel, dass wir dem Unterbewusstsein wirklich vertrauen können. ;)
Dazu kommen natürlich sehr viele andere, mögliche Störfaktoren. Witterungen, Licht, Mitstreiter, Leistungsdruck usw...

Als eine sehr gute Möglichkeit, sich bestmöglich auf ein Turnier "als geschlossenen Rahmen" vorzubereiten, sehe ich immer noch das Achtsamkeitstraining, was es dem Schützen ermöglicht, sich wirklich ganz auf sich und seinen Schussablauf zu konzentrieren. Vielleicht hast Du dazu den Artikel im BSM 06/2022 gelesen. Dabei geht es, wenn man das regelmäßig macht (auch außerhalb des Sports immer wieder), nicht nur darum, dass man frei von störenden Gedanken in seinem Training oder Turnier sein kann, sondern es über Zeit ermöglicht, sich noch besser auf das zu konzentrieren, was man gerade im Moment tut.

Ich habe über die Jahr viele unterschiedliche Schützen aus allen Leistungsbereichen kennen gelernt und dennoch gab es nie eine einheitliche Aussage darüber, wer sich wo wann auf was genau konzentriert. Das wäre ja dann eher ein Indiz dafür, dass das Meiste unbewusst abläuft, oder? Ob dem wirklich dann so ist, ist für den Schützen selbst oft nicht genau festzustellen.

Um nochmal auf Deine Fragen direkter einzugehen:
Durch die Langzeitpotenzierung schulen wir unser Gehirn, in seinen neuronalen Verbindungen gestärkt/schneller, auf bisher Erlernte (nach und nach Konditionierte) zuzugreifen. Je öfters wir nun eine Bewegung immer wieder gleich ausführen, desto besser ist die Bewegung konditioniert.
Und zwar an beiden Punkten: Den Nervenzellen, die den Befehl auslösen (eben der konditionierte, oft in Teilen unbewusst ablaufende Schussablauf) und dem Muskelgedächtnis, wo dieser (durch viele Wiederholungen bekannte) Befehl ausgeführt wird.

Wendest Du selbst schon irgendwelche speziellen (Mental-)Techniken an, um dich auf ein Turnier oder auch Dein Training vorzubereiten? So individuell jeder einzelne Schütze ist, so individuell sind auch die verwendbaren (Mental-)Techniken.

Gruß aus dem Rheinland

Markus
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Sebastian Rohrberg
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin Markus.
Das was du beschreibst erklärt wie Bewegungsabläufe trainiert und konditioniert werden.
Ich lege meinen Focus auf meinen Bewegungsablauf. Das heißt nicht, dass ich versuche ihn perfekt zu machen und mit vollem Bewusstsein jeden Muskel kontrolliere!
Aber ich führe die Tätigkeit bewusst aus.
Beim Zielen sieht das ganz anders aus. Da verlasse ich mich voll auf meine Tiefensensibilität.
Das heißt ich habe immer eine Aufgabe. Egal ob Training, Wettkampf oder Finale.
Meine Frage zielte darauf ab, dass viele Bogenschützen meinen den Bewegungsablauf gänzlich unbewusst ausführen zu müssen. Dabei aber anfangen extrem bewusst zu zielen. Daraus resultiert, meiner Meinung nach, Goldfieber, Scheibenpanik oder wie auch immer man das nennen möchte. Ich denke, dass dabei unser Unterbewusstsein nur helfen möchte, da es effektiv arbeiten will.
Deshalb handel ich mit vollem Bewusstsein.

Zu der Frage der Vorbereitung auf ein Turnier.
Ich versuche immer im hier und jetzt zu sein. Also stelle ich auch die Frage nicht wie etwas sein wird.
Für mich waren Turniere immer eine Belohnung für das harte Training. Also als ich noch gut war :)
Auch habe ich eigentlich immer geschossen. Das heißt auch wenn ich nicht geschossen habe. Es war halt der Teil meines Lebens.
Das kann man wahrscheinlich Mentaltraining nennen...
Ich finde es wichtig das Ganze entspannt aber konzentriert anzugehen. Autogenes Training hilft da zum Beispiel gut.
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von b_der_k_te »

Focus auf den Bewegungsablauf,
Tätigkeiten bewusst ausführen,
immer eine Aufgabe haben.

Darin erkenne ich viel von dem was mir meine Mentaltrainerin rät. :P
Dies Alles hilft enorm dabei bei der Sache zu bleiben. Der Geist hat bekommt keine Gelegenheit sich von Unwichtigem ablenken zu lassen.
Wenn ich das richtig verstehe ist das jenes Achtsamkeitstraining, welches Markus angesprochen hat.
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 16. Feb 2023, 15:05 Beim Zielen sieht das ganz anders aus. Da verlasse ich mich voll auf meine Tiefensensibilität.
Kannst Du vielleicht näher erzählen was Du mit Tiefensensibilität meinst? Ist das für Dich so wie es Wikipedia erklärt, die Propriozeption/Körperwahrnehmung?
Denn das würde in die gleiche Kerbe schlagen warum ich persönlich zwischen den Begriffen zielen und visieren unterscheide:
Zielen mit dem Körper - Körperhaltung inkl. -Spannung um dem Bogen eine präzise Richtung vorzugeben.
Visieren - als ein Teil vom Zielen, unterstützt das Zielen durch optische Kontrolle, ist aber nicht prior verantwortlich für´s Treffen.
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 16. Feb 2023, 15:05 Auch habe ich eigentlich immer geschossen. Das heißt auch wenn ich nicht geschossen habe.
Du meinst Du bist/warst in Gedanken immer am Platz, hast Dir vorgestellt wie Du auf der Schußlinie bzw. am Pflock stehst, wie sich der Bogen in Deinen Händen anfühlt, die Spannung des Bogens, wie die Körperhaltung im Vollauszug ist..?
Das ist wohl die hohe Kunst der Visualisierung. Je detailreicher desto erfahrener und je erfahrener desto detailreicher kann man sich das visualisieren - sich es im Geiste hervorrufen.
Sebastian Rohrberg
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Die Tiefensensibilät (nach wikipedia) mache ich mir zu nutze indem ich weiß, dass mein Visier immer wieder zur Mitte zurück kommt egal wie sehr es sich bewegt. Vorausgesetzt ich betrachte nur das Bild und nehme die Bewegung wahr. Versuche ich allerdings aktiv dort einzugreifen wird das Visierbild noch unruhiger und der Bewegungsablauf wird gestört. Wahrscheinlich durch Versagengsangst.
Ich glaube, dass unser Unterbewusstsein sehr effektiv ist aber nicht präzise. Und ich möchte präzise schießen und effektiv zielen. Das heißt niicht , dass ich bewusst jeden kleinen Schritt des Bewegungsablaufes durchexerziere. Aber ich tue es bewusst.
Visualisierung. Das Wort hat mir gefehlt. Ja das meine ich.
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mark1968
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 16. Feb 2023, 15:05 Moin Markus.
Das was du beschreibst erklärt wie Bewegungsabläufe trainiert und konditioniert werden.
Ich lege meinen Focus auf meinen Bewegungsablauf. Das heißt nicht, dass ich versuche ihn perfekt zu machen und mit vollem Bewusstsein jeden Muskel kontrolliere!
Moin Sebastian,
So ist das erste Bild auch gemeint, bzw. so erkläre ich es auch in meinen Workshops. Zu Beginn, wenn man eben den Bewegungsablauf trainiert, laufen die einzelnen Steps noch sehr bewusst an. Diese werden halt nach und nach konditioniert. Bewusst ist dann, wie von Dir beschrieben, die "Tätigkeit" (ich hab's "Performance" genannt). In meinen Vorträgen ist die Folie animiert und baut sich Stück für Stück zusammen mit den Erklärungen auf. :)
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 16. Feb 2023, 15:05 ....Auch habe ich eigentlich immer geschossen. Das heißt auch wenn ich nicht geschossen habe. Es war halt der Teil meines Lebens.
Das kann man wahrscheinlich Mentaltraining nennen...
Ich finde es wichtig das Ganze entspannt aber konzentriert anzugehen. Autogenes Training hilft da zum Beispiel gut.
Das Schießen auch wenn man nicht schießt ist Mentaltraining als Teil aus der Sportpsychologie.
"Die mentale Ausführung eines (sportlichen) Bewegungsablaufs, ohne in physisch auszuführen"

Gruß
der Markus
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mark1968
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von mark1968 »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 16. Feb 2023, 17:17 Die Tiefensensibilät (nach wikipedia) mache ich mir zu nutze indem ich weiß, dass mein Visier immer wieder zur Mitte zurück kommt egal wie sehr es sich bewegt. Vorausgesetzt ich betrachte nur das Bild und nehme die Bewegung wahr. Versuche ich allerdings aktiv dort einzugreifen wird das Visierbild noch unruhiger und der Bewegungsablauf wird gestört. Wahrscheinlich durch Versagengsangst.
Ich glaube, dass unser Unterbewusstsein sehr effektiv ist aber nicht präzise. Und ich möchte präzise schießen und effektiv zielen. Das heißt niicht , dass ich bewusst jeden kleinen Schritt des Bewegungsablaufes durchexerziere. Aber ich tue es bewusst.
Visualisierung. Das Wort hat mir gefehlt. Ja das meine ich.
Das Problem ist häufig, dass unser Unterbewusstsein in einem ständigen "Kampf" mit unserem Bewusstsein ist. Ob man es nun Misstrauen zu seinen eigenen Fähigkeiten nennen mag, oder doch dann Versagensängste oder auch den Wunsch/Drang einfach etwas perfekt zu machen, ist sehr individuell. Bei der Visualisierung habe ich ein paar Schützen, die sowohl dann ideomotorisch (aus der eigenen Sicht) visualisieren oder aber auch verdeckt (aus der Beobachterperspektive) visualisieren. Welche einem selbst zusagt, muss man immer für sich selbst entscheiden. Dort gibt es meiner Meinung nach keine Empfehlung, die besagt, dass das Eine besser funktioniert als das Andere.
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Sebastian Rohrberg
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Ich praktiziere sowohl idiomotorische wie auch verdeckte Visualisierung. Das ist tatsächlich Tagesform.
Meiner Meinung nach ist der Kampf des Bewussten mit dem Unbewussten eine Frage der Überzeugung.
Ich muss bereit sein meine Aufgabe zu erfüllen, komme was wolle.
Ich glaube das ist der Unterschied zwischen unseren “Profis“ und dem Breitensport.
Eigentlich verkehrt herum. Der Breitensportler sollte es aus Spaß an der Freude tun. Eben einfach tun. Der “Profi“ hat eigentlich viel mehr Druck. Allerdings weiß er auch, dass das erfüllen der Aufgabe wichtiger ist als zielen oder sonst irgendwas.
Vielleicht ist es auch eine Frage der Schulung. Denn je früher der Sportler die richtige Herangehensweise lernt, desto eher versteht er die Zusammenhänge.
Sebastian Rohrberg
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Ich hätte gerne Meinungen dazu.....
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ullr
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Re: Wie funktioniert mentales Training?

Beitrag von ullr »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 21. Feb 2023, 23:15 Moin.
Ich hätte gerne Meinungen dazu.....
Hallo Sebastian, das ist sehr schwierig. Jedenfalls für mich. Ich habe lange Zeit in unserem Verein mit meiner Frau zusammen Anfänger ausgebildet:
Ungefährer Ablauf.
1. Sorgfältig das Leitauge feststellen
2. Die Ausrüstung entsprechend dem Ergebnis von 1) ausgeben
3. Trocken (ohne Pfeil auflegen) das Spannen und Visieren lernen.
4. Trocken (ohne Pfeil auflegen) das Visieren überprüfen und korrigieren. Grundlage dazu ist der erste Poster vom DSB (Haidn/Tschalova) Das geht nur von vorne, Der Auszubildende zielt dem Ausbilder auf 5-10m in sein Leitauge -das andere hat er zugekniffen-
5. Der Ausbilder korrigiert die Haltung des Schützen beim Spannen anhand der persönlichen kinematischen Verhältnisse, Länge der Glieder, Bewegung im Schuss, Endhaltung (das sog. "Kraftdreieck" das mal längere Zeit als "Non plus Ultra" kreiert wurde ist Bullshit)
6. Schießen auf 5-10m auf einen schwarzen Zielpunkt (Treffbildscheiben aus dem Pistolenbereich). Dabei den Bewegungsablauf des Schützen beobachten, von der Seite und von Hinten, an besten von einem erhöhten Standpunkt.
Später (wenn ich noch Einfluss habe) Weitere Ausbildung mit Verwenden des Klickers. Dabei wird über einen längeren Zeitraum von der Seite das Spannen über die Bewegung der Pfeilspitze bis zum Fall des Klickers und der Schussauslösung beobachtet.
Nebenbemerkung: Ab hier ist m.M.n. erst mentales Training möglich und wird mit der Leistungssteigerung des Schützen immer wichtiger, bis es praktisch "am wichtigsten" ist.
Klappt das alles und darf ich den jetzigen Schützen weiter beobachten, versuche ich, ihn zu einem Kurs "Autogenes Training" zu bewegen, bitte ihn, ein "Mantra" über den inneren Ablauf (vom Spannen des Bogens bis zum Schuss) aufzuschreiben (das will ich nicht wissen und das sollte auch kein anderer erfahren) und auswendig zu lernen).
Dieses Mantra solle der Auszubildende dann öfters im "Autogenen Training" vor dem Schießen und auch zu Hause, auf dem Stuhl sitzend durchgehen. Wenn es gut klappt, ist das auch in Verbindung mit der vernünftigen Anwendung des Therabandes eine erstklassige Vorbereitung vor dem ersten Trainings- oder Wettkampfschuss.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
One of the greatest tragedies in life
is the murder of a beautiful theory
by a gang of brutal facts.
- Benjamin Franklin –
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