Die Wirkung des Spine beim Compound

Fragen, Themen die sich mit dem Pfeil und dem Pfeilflug an sich befassen
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ullr
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Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von ullr »

Da schreibt ein User1 in einen anderen Forum über die Pfeilbiegung beim Compound:
Er biegt sich immer senkrecht und wahrscheinlich auch ein wenig waagerecht weil der Center nicht immer 100% passt - wir alle torquen den Bogen mehr oder weinger und schon kommt der Pfeil minimalst ausm Center und biegt seitlich
Ein anderer, sehr sachkundiger User2 antwortet ihm richtigerweise:
Fakt ist aber, dass sich ein Compoundpfeil im Vergleich zu einem Recurvepfeil kaum sichtbar biegt. Muss er auch nicht, weil die Biegung durch das ruckartige Beschleunigen bei hoher Endhaltekraft beim Recurve zustande kommt, die so beim Compound nicht vorkommt.
.....
Die Antwort von User2 ist genau richtig: Der Compound beschleunigt einen Pfeil weitaus schonender als der Recurve. Die höhere Endgeschwindigkeit rührt alleine daher, dass er den Pfeil über längere Zeit mit relativ hoher Beschleunigung bewegt. So wird ein Pfeil im Compound weit weniger durch Knickspannung durchgebogen, die Biegeschwingung wird später einsetzen, möglicherweise erst knapp bevor der Pfeil sich von der Sehne löst. Beim Recurve sinkt die Beschleunigung im Normalfall bereits nach rund 2-3ms unter die kritische Knickkraft ab, d.h. bereits nach dieser Zeit wird der Pfeil während der Beschleunigung frei schwingen.
Der knackende Casus liegt aber hier: Die Pfeildurchbiegung und die Eigenschwingung ist relativ leicht zu rechnen. Was aber nicht geht, ist die Richtung der Primärdurchbiegung und damit die Ebene in der die Biegeschwingung abläuft, zu bestimmen. Bein Recurve umgeht man das Problem, indem man den Pfeil definiert schräg im Bogen anordnet. Durch den schrägen Kraftangriff wird die primäre Pfeildurchbiegung in eine Richtung, die waagerechte Ebene, gezwungen. Beim Compound hat man die Idee, den Pfeil zentrisch in den Bogen zu legen. Liegt der Pfeil exaktemente wirklich zentrisch, wird die primäre Pfeildurchbiegung wahrscheinlich in die Richtung erfolgen, in der sein schwächstes Widerstandsmoment liegt. Und dann ist natürlich Polen offen hinsichtlich der Streuung der Munition. :D Ansonsten wird die Ebene, in der die Pfeilschwingung erfolgt halt mehr oder weniger durch Toleranzen, Meßfehler, mechanische Einwirkungen bestimmt. Weshalb soll der Pfeil im Compound zentrisch liegen? Weil es irgendjemand behauptet, dass es so besser ist? Gibt es da Hinweise, die das unterstützen?
Der zweite Bullshit, den User1 schreibt, ist die Sache mit dem Torque. Das ist tutto kompletti formaggio. Ein evlt. durch den Schützen auf den Bogen aufgebrachtes Drehmoment mit der Bogenhand hat auf die Pfeilschwingung keinen Einfluss.
ullr
Nachtrag: Staaaauuuun... User1 bringt ein Video über die Pfeilbiegung beim Compound+Stringwalking. Einfach geil...
geändert:
Meine Spottdrossel hat mir mal wieder 'nen Streich gespielt.
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sk90
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von sk90 »

Die Frage, weshalb man den Pfeil ganz gerne im Zentrum liegen hat, ist einfach zu beantworten: Weil dann eben der Spine ziemlich egal und so die Abstimmung sehr simpel ist.
In der Praxis und den meisten Herstellerempfehlungen ist es aber so, dass das nur die Ausgangsstellung ist und natürlich noch ausgeschossen wird. Allerdings wird man dabei meist nur sehr geringfügig korrigieren müssen, wenn auch die restlichen Grundeinstellungen o.k. sind. Das Alles gilt erfahrungsgemäß nur, wenn ein Release benutzt wird!
Schaut man sich Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von Compoundpfeilen an, wird man von augenscheinlich schwingungsfreiem Flug bis zu leichtem Schwingen Alles finden, allerdings kaum einen Pfeil, der auch nur näherungsweise so stark schwingt, wie bei einem Recurve.
Kurz: Ich verstehe die Theorie sehr gut, aber in der Praxis hat sich dieses Vorgehen (Auflage plusminus auf Center) schlicht bewährt.

Das Verdrehen des Bogens (Torque) sollte doch nur so lange keinen Einfluss haben, wie die Auflage genau auf der Drehachse liegt, was meist nicht der Fall sein wird. Bei einem normalen Setup ohne Overdraw wird man das aber vernachlässigen können, der Visierfehler wird sicher erheblich größer sein, als eine minimale Änderung der Schwingung/Schwingungsrichtung.
b_der_k_te
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von b_der_k_te »

Fängst Du auch schon damit an ullr - mit Compound. :lol:
Wenn Du schon von anderen Foren abschreibst, mach es doch zumindest etwas subtiler, nicht so plakativ. :roll:
Zumindest könntest jenen mal zuflüstern das sie in James Park's "Archery Technology" die Antworten auf ihre Fragen finden.
Darin beschreibt er, warum auch beim Compound der Pfeil nicht exakt zentrisch in Schubrichtung zu liegen kommt. Und vor allem das man die Vorgänge nicht so einfach gedacht über statische Kräfte betrachten darf und die Schubrichtung gar nicht stets die gleiche ist.
Für die vertikale Schwingungsebene ist der sogenannte Nocktravel - also der Weg den der Nockpunkt auf der Sehne bezogen auf eine Bezugsachse zum Bogen macht, verantwortlich. Dieser ist in der Senkrechten abhängig von dem Cam-Typ und kann nur bei wenigen bestimmten Cams durch diverse Einstellungen beeinflußt werden. Auch die Bewegung des Bogens während dem Schuß kann dabei eine Rolle spielen.
Die seitliche Pfeilschwingung ergibt sich tatsächlich erst kurz vor dem Trennen des Pfeils von der Sehne. Ursache sind die dynamischen Zugspannung(sänderung)en in den Kabeln die in weiterer Folge plötzliche seitliche Bewegungen der Cams bewirken.
Auch zu der seitlichen "Centerstellung" des Pfeils über die Auflage hat Park was geschrieben...
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ullr
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von ullr »

An b_der_k_te und sk90:
Leute, DANKESCHÖN für eure Posts. Nein, ich fange nicht mit Compound an. :lol: ich habe mich unglaublich schwer getan, den Eingangspost zu schreiben... Diese beiden Posts decken genau den Bereich ab, mit dem ich mich schwer getan habe.
sk90 schreibt:
Die Frage, weshalb man den Pfeil ganz gerne im Zentrum liegen hat, ist einfach zu beantworten: Weil dann eben der Spine ziemlich egal und so die Abstimmung sehr simpel ist.
Möglicherweise kann man beim Compound den Pfeil so auslegen, dass er überhaupt nicht von der Beschleunigung durchgebogen wird und dann während des Schusses nur Oberschwingungen und Nocktravel, bedingt durch die Auslegung der Cams zum Tragen kommen. Dann wird eine Abstimmung nur über Treffbildschießen zweckmäßig sein. Wie b_der_k_te schon schrieb, hat das wissenschaftlich exakt James L. Park beschrieben.
Gruß und klar doch
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RCX-100
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von RCX-100 »

Na ja - ich finds jetzt generell nicht ganz so prickelnd, dass hier über andere Benutzer eines anderen Forums geschrieben wird, auch wenn deren Thesen nicht stimmen. Selbst wenn das Thema der Pfeildurchbiegung und Beschleunigung ein interessantes ist.
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ullr
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von ullr »

RCX-100 hat geschrieben: 27. Nov 2018, 07:23 Na ja - ich finds jetzt generell nicht ganz so prickelnd, dass hier über andere Benutzer eines anderen Forums geschrieben wird, auch wenn deren Thesen nicht stimmen. Selbst wenn das Thema der Pfeildurchbiegung und Beschleunigung ein interessantes ist.
Prinzipiell hast Du Recht. Aber deshalb nenne ich weder User noch Forennamen... ;)
Und wie Du schon schreibst, die Abstimmung ist ja eigentlich ein Dauerthema.
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b_der_k_te
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von b_der_k_te »

Für diejenige die das erwähnte Buch nicht haben aber es trotzdem möglichst genau wissen wollen:
Im Web ist jener Artikel von Park zu finden http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/do ... 1&type=pdf
Ist etwas komplizierter zu verstehen als das Buch, auch könnten Vorerklärungen vermißt werden.

Doch speziell für Chrisitan, dort wird auch ausführlicher erklärt wie sich das Verhalten des Pfeils ändert wenn der Schütze mal den Druckpunkt im Griff nach links oder rechts versetzt hat. Und damit Du Dich nicht wunderst, seitlicher Abstand sowie eine Zugkraft durch das Spannen des Bogens im rechten Winkel auf diesen Abstand - weißt Du sofort das dies ein Drehmoment hervorruft/ist. Ins englische übersetzt: torque. Dieses Wort kommt im Artikel zwar nicht vor, sondern "twisting" aber Park verwendest es an dieser Stelle auch im Buch - weil technisch richtig. Mit "twisting" mein Park nicht ein durch den Schützen mehr oder weniger bewußtes Verdrehen des Bogens über den Griff, sondern lediglich die Auswirkung des versetzten Druckpunkts. Dies verdreht den Bogen - der Schütze "verdreht" den Bogen weil er den Druckpunkt im Griff nicht exaktamente setzt.
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ullr
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Re: Die Wirkung des Spine beim Compound

Beitrag von ullr »

Hallo Bernd, Dankeschön für diesen Beitrag. Ich kenne diese Arbeiten, sie sind mir Vorbild. Ich kenne auch ziemlich genau die Grenzen innerhalb derer ich mich bewege.
Das Modell, das ich anwende, ist auf die praktische Anwendung ausgelegt. Und so bitte ich auch, diesen Artikel von mir zu bewerten.
Die Werte für den Recurve sind im praktischen Versuch (Vergleich befiederter/unbefiederter Pfeile auf 10 und 18m sorgfältig untersucht worden, d.h. die Abstimmung war perfekt. Dazu habe ich mir einen Compound herausgesucht, von dem ich -soweit es denkbar ist- solide Daten hatte. Sie stammen aus dem Bogensportmagazin "The Glade" das damals einen ausgezeichneten Ruf genoß. Diese Werte (Auszugsdiagramm und Geschwindigkeitswerte für zwei Pfeilmassen) habe ich für das Compoundbeispiel benutzt. Dann habe ich den Pfeil so angepaßt, dass eine vergleichbare Primärdurchbiegung in der Größe vorlag. Dafür liegt natürlich keine Beschußüberprüfung vor. Aber für einen Vergleich reicht es. Für mich war es überraschend, wie empfindlich der Compound auf Spineänderungen reagierte. Das hätte ich nicht gedacht...
Wem dem aber so ist, dann sind mir widersprüchliche Posts, widersprüchliche Meinungsäußerungen klar. Und ich kann mir auch vorstellen, dass ein Pfeil mit der großen Primärdurchbiegung praktisch 2/3 seiner Schußzeit durch den Compoundbogen fliegt Probleme hinsichtlich Kabel und Bogenfenster machen kann.
Gruß und klar doch,
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