Papiertest

Fragen, Themen die das System Bogen incl. Anbauteile betreffen
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ullr
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Papiertest

Beitrag von ullr »

Seit Jahrzehnten geistert der sog "Papiertest" durch die Bogenschützengemeinde. Es wird dünnes Papier auf Entfernungen von 2m bis -keine Ahnung- unendlich aufgespannt und durchschossen. Aus den Rissrichtungen, Größen usw. soll auf -ja was?- geschlossen werden...
-Auf die Gleichmäßigkeit der Innenballistik?
-Auf die Größe der Streuung eines Pfeilsatzes?
-Auf Fehler des Schützen?
Ein -einigermaßen passender- Pfeil führt eine Biegeschwingung durch, die in der Größenordnung von 50- 80Hz liegen wird. Die Richtung der Biegeschwingung des fliegenden Pfeiles ändert sich kontinuierlich, weil sich der Pfeil dreht. Ich kann temporäre Größen abschätzen, es hängt von der Beschleunigung im Bogen, der Steife des Pfeiles, seiner Länge und der Massenverteilung ab.
Ein klar nichtpassender Pfeil biegt sich entweder überhaupt nicht, dann klatscht das Hinterteil irgendwo an den Bogen oder er ist zu weich, dann schrappt das letzte Drittel am Mittelteil entlang.
Die Effekte möge sich der geneigte Leser selber ausmalen.. :lol:
Die Modellbildung ist nicht ganz einfach, man muss mit Annäherungen rechnen, mein Modell funzt ganz gut. Ich habe mehr als 50 Recurve Systeme untersucht und durch Beschuss (der klassische traditionell Ansatz -> befiederter Pfeil im Vergleich zum unbefiederten, Schussentfernung 10m-18m) überprüft.
Auch der gut abgestimmte Pfeil wird noch im Weiterflug Biegeschwingungen durchführen, die werden aber so klein sein, dass eine genauere Weiterverfolgung keine weiteren zusätzlichen Erkenntnisse bringt. Und es ist extrem schwierig durchzuführen.
Der gut abgestimmte Pfeil muss übrigens nicht seine Flugbahn in einer senkrechten Ebene haben, sondern sie kann sehr wohl etwas nach links oder rechts geneigt sein und das bedeutet, bei unterschiedlichen Entfernungen werden unterschiedliche seitliche Abweichungen entstehen. Dazu gibt es aber am Bogen ein Visier, dass seitenverstellbar ist.
Weiterhin wird jeder Pfeil während des Fluges durch seine Umdrehungen, die Anströmung der Luft und seine Biegeschwingungen immer gegenüber der Flugbahnlinie einen Doppelkegel beschreiben, wobei die Doppelkegel sich mit ihrer Spitze im Schwerpunkt treffen. Das machen übrigens auch Pfeile, die mit Mach 6 fliegen. :D Ja doch, die gibt es...
Was kann also die Papierscheibe bei einem gut abgestimmten System, die auf irgendeiner Entfernung steht über den Pfeil bzw. über sein Flug aussagen? Steht die Scheibe senkrecht zur Flugbahn? Nein, steht sie nicht. Weil keiner vorher die Flugbahn gerechnet hat und daher noch nicht mal weiß, unter welchem senkrechten Winkel zur Flugbahn sie stehen muss. Weiterhin muss die Anzahl der Drehungen des Pfeiles bestimmte werden (Lage der Doppelkegel )
Es wäre eine höllische Rechnerei. Also, es geht nicht wirklich.
Diese Methode ist im übertragenem Sinne Kaffeesatzleserei. Diese Zeit sollten Schützen/Innen in das praktische Schießen hineinstecken und die Freude, die man dabei hat.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
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Abow
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Re: Papiertest

Beitrag von Abow »

Wieder mal aus dem Nachbarforum
https://forum.bogensport-planet.de/view ... 462#p10462
zu einem wichtigen Thema, das (wegen Sperrung dort) auch hier auch diskutiert werden sollte?
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bkr_hro
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Re: Papiertest

Beitrag von bkr_hro »

Schiesst man durch ein "Blatt" Papier, fliegt der Pfeil dort durch, möglicherweise exakt gerade, oder in irgendeiner Weise schräge / besser formuliert: gekrümmt.
Zumindest beim Recurve.

Also irgendwie so: | ( ) , ganz sicher aber nicht so: / \ .

Und in irgendwelchen Büchern steht, man solle diesen Test auf "x" Meter machen.
Warum "x" diesen oder jenen Wert haben soll habe ich noch nirgendwo lesen können - und ich schieße seit 1974 ...
2 oder 3 oder 5 Meter, doppelte Stabi-länge... alle Werte werden angeboten.

Man mache sich den "Spass" und schieße auf eine inzwischen halbwegs weichgeschossene Stramitscheibe (alle wissen ja wohl, dass neue, noch harte Stramitscheiben den Pfeil in eine gewisse Eindrinrichtung zwingen...) oder auf eine Schaumstoffscheibe.

Von 2 bis xx Meter, immer einen halben Meter weiter zurückgehend (also Distanz vergrößernd).
Mal ist die Nocke links von der Spitze, mal rechts...

Und so frage auch ich mich, was diesess Papier-löchern / -reißen aussagen soll.


Beim Recurve total sinnlos, beim Compound (bekanntlich andere Beschleunigung, also anderes Biegeverhalten) , naja, Vereinskollegen sagten : vergiss es
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ullr
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Re: Papiertest

Beitrag von ullr »

bkr_hro hat geschrieben: 4. Sep 2022, 22:20 ...

Beim Recurve total sinnlos, beim Compound (bekanntlich andere Beschleunigung, also anderes Biegeverhalten) , naja, Vereinskollegen sagten : vergiss es
Meine Erfahrung, nicht nur beim eigenen System sondern bei allen Recurvesystemen, die ich gerechnet habe und die im Beschuss überprüft wurden, ist:
Der passende Pfeil auf ein Recuve-System (Rechtshand) fliegt unbefiedert auf 10m Schussentfernung in die Gruppe der befiederten Pfeile. Ein Ticken links (also einen Ticken zu steif) ca. 3-5cm links hat sich auch bewährt.
Die Höhe wird über die Nockpunkthöhe geregelt.
Die Federn werden mit einem kleinen Winkel (ca. 1-2°) schräg aufgesetzt, das klappt mit der geraden Klammer noch sehr gut, wer gewundene (auch Naturfedern) besser und schöner findet, muss eben eine gewundene Klammervorrichtung (Bitzenburger!!!! ich mache sehr selten für eine Marke Reklame :D ) benutzen. Der Pfeil soll sich im Flug drehen, weil dadurch Unregelmäßigkeiten im Biegeverhalten kompensiert werden. Dazu reicht ein kleiner Winkel. Bei Naturfedern sieht natürlich ein größerer Winkel (5-10°) toll aus. Und das war's auch schon... :lol:
Ist man ein guter (sehr guter) leistungsorientierter Schütze/In bleibt nichts anderes mehr übrig als tatsächlich 12 Pfeile kaufen und davon einen Turniersatz in aller Ruhe ausschießen. Eine Beschreibung, wie man da vorgehen kann, findet sich auf meiner Homepage.
Das macht man auch bei Scharfschützen und leistungsorientierten Freie Pistole Schützen. Das wird da aber beim Händler oder dem Munitionshersteller durchgeführt. Dazu wird die Waffe in eine Schießmaschine eingespannt und damit verschiedene Munitionslose getestet. So findet man das beste Munitionslos heraus. Andere Möglichkeiten, es durch Messmethoden herauszufinden gibt es nicht.
Gruß und klar doch,
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Radian
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Re: Papiertest

Beitrag von Radian »

Vor 25 Jahren haben das Recurveschützen in unserem Verein mit Rohschäften gemacht, ich habe als Anfänger schon nicht verstanden, was ich an einem Riss im Papier (ca. 2 Meter vor dem Bogen) besser sehen soll, als an der Lage des Rohschaftes bei Entfernungen von 10- 18 Meter. Mir schien es logisch, dass je größer die Entfernung wird, desto sensibler wird der Test auch für kleinere Abweichungen.
Ich habe das ewig nicht mehr gesehen (übrigens auch nicht bei den Compoundschützen).Mein Herz haben die Experten erobert, die mit dem Smartphone auf einem Stativ "Highspeedaufnahmen" des Pfeiles beim Abschuss in einer Halle machen, die so dunkel ist, dass die meisten Compoundschützen ihre Leuchtpins nicht mehr sehen- vielleicht stirbt dieser Quatsch ja auch irgendwann aus.
Wer Sorge hat, nicht im Tuning alles zu geben, kann sich mal auf Online Archery Academy das Video " Stop Micro Tuning" ansehen- von einem englischen Leistungsschützen. Tenor: Rohschafttest sauber ausschießen (wie man das in diesem Forum lernen kann) und dann Form, Form, Form trainieren- was immer gerne an "Geheimtipps" hinsichtlich Material diskutiert wird, kann man ausprobieren, wenn man auf 70m 660 Ringe oder früher auf die alte FITA Runde gerechnet 1300 Ringe schießt. Erstaunlich ist, dass fast alle Leistungsschützen (u.a. auch Rick Mc Kinney), die sich zu dieser Frage äußern, in diesem Punkt in ihren Angaben übereinstimmen, egal welche Auffassungen sie zum Bogenschießen sonst vertreten- bleibt also wieder nur die Arbeit an der eigenen Schußtechnik....
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ullr
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Re: Papiertest

Beitrag von ullr »

Abow hat geschrieben: 4. Sep 2022, 20:36 Wieder mal aus dem Nachbarforum
https://forum.bogensport-planet.de/view ... 462#p10462
zu einem wichtigen Thema, das (wegen Sperrung dort) auch hier auch diskutiert werden sollte?
Ich schrieb hier:
Seit Jahrzehnten geistert der sog "Papiertest" durch die Bogenschützengemeinde.
und weite es mal etwas (für Dich persönlich) aus:
Vor Jahrzehnten hat mal ein Gruppe begeisterter Bogenschützen, die zufällig auch Waffen- und Munitionsexperten waren, über Bogenschießen intensiv diskutiert. Wir haben viel gelacht...
... Sehr viel... :D :D :D
Gruß und klar doch
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Kitty
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Re: Papiertest

Beitrag von Kitty »

Die Aussagen, die mir gegenüber zum Papiertest gemacht wurden, war oft, dass er für Recurve eher nicht passend ist, für Compound aber ganz brauchbar. Ich habe aber auch schon sämtliche Bogenschützen damit herum operieren gesehen.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es kann sein, dass vor 2 Jahren in einem Seminar von Henning Lüpkemann auch gesagt wurde, dass der Papiertest nur für Compoundschützen sinnvoll ist.

Als ich mir im letzten Herbst neue Pfeile gekauft habe, wurden im Bogenladen mittels Rohschaft die passenden Pfeile für mich ausgesucht. Rohschäfte waren gestern auf 18m ein Hauch links, selbe Höhe wie die befiederten (schieße RH).
Der Button wurde passend auf die Pfeile eingestellt. Die Buttonvorstand, den ich mit der Formel von Ullr (Finde den Artikel dazu nicht auf seiner Seite) berechnen kann, scheint tatsächlich für mich passend zu sein - auch für meine Hallenpfeile.
Wenn ich dann noch zufriedenstellend gruppieren kann, dann konzentriere ich mich lieber auf mein Training, anstatt weiter an meinem Material herum zu doktern.
Ich schieße im Training gerne auch mal sämtliche Distanzen durch. Übrigens ist ein seitliches Verstellen meines Visiers nicht notwendig, wenn ich einfach nur die Entfernung wechsel. Neulich war ich nach so gefühlt 3 Jahren auch mal aus Spaß auf 90m und danach auf 30m. Höhenverstellung: ja natürlich, seitliche Verstellen: nein.
Für Schützen, die nicht nur auf einer Distanz schießen, insbesondere Feldbogenschützen, ziemlich kontraproduktiv (Siehe auch hier).
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ullr
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Re: Papiertest

Beitrag von ullr »

Kitty hat geschrieben: 5. Sep 2022, 18:32 ....
Der Button wurde passend auf die Pfeile eingestellt. Die Buttonvorstand, den ich mit der Formel von Ullr (Finde den Artikel dazu nicht auf seiner Seite) berechnen kann, scheint tatsächlich für mich passend zu sein - auch für meine Hallenpfeile.
...
Hallo Kitty, Dir kann geholfen werden:
Buttonvorstand
:D
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b_der_k_te
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Re: Papiertest

Beitrag von b_der_k_te »

Geht es im Nachbarforum bei diesem Thema (man muß angemeldet sein um es lesen zu können) denn über Recurve?
Ich sehe es auch so das der Papiertest für Compound durchaus seine Berechtigung hat. Dort soll der Pfeil in der Horizontalen weder gebogen oder gekrümmt ( ), noch schräg / \ aus dem Bogen kommen. Zumindest nicht mehr als ein Pfeildurchmesser. In der Senkrechten sollte das Pfeilheck im besten Fall leicht höher als die Spitze aus dem Bogen kommen. So kann man davon ausgehen das die Federn nicht am Federblech anstreifen.

Ich kenne auch einen Recurveschützen der den Papiertest zur zusätzlichen Kontrolle und zur Beruhigung seines Gewissens einsetzt. Er sieht sich darüber an wie schnell sich die Pfeilschwingung (zwischen 2 und 15 Metern) beruhigt. Ist das System grundsätzlich gut eingestellt und das Lösen auch sauber, dann lässt sich das über diesen Test recht gut abschätzen. Ob es notwendig ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
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ullr
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Re: Papiertest

Beitrag von ullr »

b_der_k_te hat geschrieben: 6. Sep 2022, 08:34 Geht es im Nachbarforum bei diesem Thema (man muß angemeldet sein um es lesen zu können) denn über Recurve?
Ich sehe es auch so das der Papiertest für Compound durchaus seine Berechtigung hat. Dort soll der Pfeil in der Horizontalen weder gebogen oder gekrümmt ( ), noch schräg / \ aus dem Bogen kommen. Zumindest nicht mehr als ein Pfeildurchmesser. In der Senkrechten sollte das Pfeilheck im besten Fall leicht höher als die Spitze aus dem Bogen kommen. So kann man davon ausgehen das die Federn nicht am Federblech anstreifen.
Ich habe für Compound keine Möglichkeiten, exakt die Innenballistik zu beschreiben, die zur Ermittlung des passenden Pfeiles unabdingbar ist. Im Gegensatz zum Recurve wird der Compoundpfeil nicht schlagartig mit der Maximalkraft belastet, sondern "weich" über einen längeren Zeitraum mit immer höher werdender Kraft.
Die Krafteinwirkung auf den Pfeil ist daher "zart"... Kein Tritt in den Popo... :D
Hier habe ich von Kostka (übrigens ein wirklicher Fachmann, seine kompetenten Aussagen sind sehr gut) ein Video mit Kurzzeitaufnahmen gefunden, dass meine Aussage recht gut beschreibt:
Kurzzeitaufnahme der Beschleunigung eines Pfeils im Compound von Kostka.
Es sieht so aus, dass die Beschleunigung im Compound nur eine Beschleunigungskraft aufbaut, die in der Spitze die kritische Knickkraft (nach Euler) eines Pfeilschaftes nur sehr kurz und viel später oder überhaupt nicht erzeugt. Das heißt, der Pfeil wird nur einen sehr kleinen oder überhaupt keinen Impuls für Biegeschwingungen erfahren. Im Compound wird man ohne Probleme einen Pfeil schießen können, der einfach keine Biegeschwingungen ausführt. Das dürfte die Abstimmung der Pfeile sehr erleichtern.

Und hier könnte das Durchschießen von Papier auf 3-5m Entfernung auch sinnvoll sein, um darüber Informationen zu erhalten. Es wird hier sehr wichtig sein, dass die Papierscheibe wirklich senkrecht zur Flugbahn an dieser Stelle steht. Sonst wird das Ergebnis Unsinn sein. Und deshalb sind Entfernungen über 10m auch hier nicht zu empfehlen, weil es sehr kompliziert sein kann, die Papierebene zur Flugbahn an dieser Stelle auszurichten.
Ich kenne auch einen Recurveschützen der den Papiertest zur zusätzlichen Kontrolle und zur Beruhigung seines Gewissens einsetzt. Er sieht sich darüber an wie schnell sich die Pfeilschwingung (zwischen 2 und 15 Metern) beruhigt. Ist das System grundsätzlich gut eingestellt und das Lösen auch sauber, dann lässt sich das über diesen Test recht gut abschätzen. Ob es notwendig ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Nun ja, jedem Tierchen sein Pläsierchen... ;)
Und Neugier ist immer angebracht...
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