Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Fragen, Themen die das System Bogen incl. Anbauteile betreffen
b_der_k_te
Moderator
Beiträge: 651
Registriert: 28. Mai 2018, 09:38
Wohnort: Wien

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von b_der_k_te »

Aber Sebastian hat nach was Anderem gefragt.
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 17. Dez 2023, 19:09 Nicht nach welchem er berechnet wird.
Hat er extra betont.
ullr hat geschrieben: 17. Dez 2023, 17:49Widerlege meine Aussagen, ich lerne gerne dazu.
Diese Aussage bezweifle ich mittlerweile ernsthaft. Ich habe bereits die Kernaussage Deines Modells widerlegt. Doch statt daraus zu lernen, ingnorierst Du diese Tatsache oder behauptest es sei Dir zu mühsam Dich in ein paar Winkelfunktionen hinein zu denken nur weil Du das Modell seit vielen Jahren selbst nicht mehr angewendet hast.
------------------
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 17. Dez 2023, 19:45 Und der Beweis für die Vermutung, dass der Pfeil die Sehne mitnimmt.
Ironie oder Sarkasmus? Soll man etwa beweisen das man eine Vermutung hat? Wie kann man das?
Doch wenn man die Vermutung an sich beweisen kann, ist es ja keine Vermutung mehr...

Nein, im Ernst. Der Pfeil reagiert (für mich) eindeutig nach dem Euler Fall 1. Und zwar auch schon ganz ohne den Einfluß der Fingermassenträgheit. Durch die sehr plötzliche Aufbringung (innerhalb von 2ms) der sehr beträchtlichen Schubkraft wirkt fast die ganze vordere Hälfte des Pfeils als wäre sie fest eingespannt (nicht nur die Spitze). Innerhalb dieser ersten 2ms steigt die Kraft auf die Nocke von 0% auf 100%. Das was die Nocke noch nicht als Kraft abbekommt wird verwendet um die Fingerglieder und das Tableder aufzuklappen. Durch deren Trägheit wird die Sehne um 3 bis 6mm zur Seite ausgelenkt.
Was man auch nicht vergessen sollte ist, daß die Sehne - weil sie zur Seite ausgelenkt ist - mit jeder Menge Kraft wieder zurück zur Mittellinie möchte. Das heißt die Kraft bleibt nicht wie bei Euler stets in der gleichen Richtung, sondern bekommt auch eine Richtungskomponente zur Mittellinie.
Ab da würde ich eine Kombination mit bzw. Überleitung auf den Fall 3 sehen. Dadurch ergibt es sich das die Nocke zwar auf der einen Seite der Mittellinie verbleibt, die Biegung / der Knick sich aber auf der anderen Seite der Mittellinie ausbildet/ausbreitet.

Und ab da - 2ms nach dem Muskelentspannen der Finger - bin ich wieder bei Ullr und behaupte auch das Nocke und Sehne wegen dem weiteren Knicken des Pfeils noch weiter zur Seite bewegt werden. Ich kann es mir nämlich nicht anders erklären. Ich sehe keine andere Kraft die groß genug sein kann und noch dazu seitlich weg von der Mittellinie wirkt, um die Nocke noch weiter auf mehr als das Doppelte als nach 2ms, weg zur Seite zu bringen. Ich darf hier auf die Grafik in jenem Beitrag verweisen: (Zeitpunkte 1,5 bis 6ms) Die Wirkrichtung der Schubkraft der Sehne kann man wohl ansatzweise irgendwo zwischen der Achse "Nocke -> Schnittpunkt der Mittellinie mit der Standhöhe" und der Achse "Nocke -> Spitze" zieht.
Man bedenke außerdem das der bereits gebogene Pfeil eine Rückstellkraft der Biegung entgegen bringt welche die Nocke eigentlich zurück zur Mitte und nicht noch weiter weg zur Seite bringen möchte.

Beweis der Vermutung:
Würde die Sehne die Nocke zur Seite schleudern und nicht umgekehrt, wäre es wohl - so wird es oft behauptet - die beschleunigte Sehne vom "Finger-Abrollen" selbst. Immerhin wird sie beim Nockpunkt innerhalb von nur 2ms um einen Weg von (Annahme) 5mm zur Seite versetzt. Vergessen wir dabei das sie in der selben Zeit nicht nur zur Seite sondern auch ca 10mm nach vorne bewegt wird, so wäre die Durchschnittsgeschwindigkeit zur Seite immerhin 0.005m/0,002s = 2,5m/s oder 9 km/h. Am Ende also nach 2ms wären das 18 km/h bei einer konstanten Beschleunigung von doch beachtlichen 1250m/s². Als Größenvergleich: die Beschleunigung nach vorne liegt nach diesen 2ms (weil erst dann die 100% auf die Nocke wirken) bei 7000-9000m/s²
Dabei muß nicht die ganze Pfeilmasse plus die Masse der Wurfarme, sondern lediglich ein paar Prozentchen an Pfeilmasse (Nocke, Federn, ein paar Anteile vom Schaft und ein paar Anteile der Sehne) zur Seite beschleunigt werden. Diese bewegte Masse mit ihren 18 km/h müsste dann aber so träge sein um die Nocke (entgegen der oben beschriebenen Kräfte) um weitere 5-8mm zur Seite fliegen zu lassen.
Blöderweise wurde diese Masse die ersten 5mm nur deshalb zur Seite bewegt weil sie so klein war das sie der Masse der Fingerglieder nichts entgegenbringen konnte. Wäre die Trägheit der Fingerglieder dagegen viel kleiner als die Masse die da zur Seite gedrückt wird, würde sich die Masse erst gar nicht zur Seite drücken lassen...

Also ja, die Finger schieben die Sehne offenkundig zur Seite, aber mehr als 6mm sind dabei nicht drin. Die Sehne würde die Nocke von diesen 6mm Abweichung wieder zügig zurück zur Mittellinie befördern. Aus meiner Sicht ist es nur logisch das da das Knicken mit rein spielt um Nocke mitsamt Sehne noch weiter auszulenken.

Ein möglicher Gegenbeweis wäre denkbar einfach: Macht die Sehne beim Fingerlösen diese übergroße Auslenkung auch ohne Pfeil..?
Das dies ein Leerschuß wäre und sowohl Material als auch Schützen, der seine Finger herleiht, gefährdet, könnte man es bei ca. nur einem Viertel des Vollauszuges ausprobieren und filmen. 15-20cm Leerschuß kann man einem Bogen und Schützen doch wohl zutrauen. Oder man fängt nach ca. 5cm die Sehne eines leichten Bogens nach Vollauszug mittels Shottrainer ab, bzw. macht noch mehr Leerweg, baut aber mittels Gummiband eine sanfte Abfangzone in den Shottrainer ein.

PS: Ach ja, erst wenn die Durchbiegung weiter nach vorne wandert und der vordere "Ausläufer" die Spitze erreicht (sodaß diese sich dreht), dann erst hätte man Euler Fall 2. Doch spätestens hab hier müßte man erkennen das das bemüßigen der Knickfälle nur eine Krücke ist.
abgemeldet01

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von abgemeldet01 »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 17. Dez 2023, 23:03 Nehmen wir an die Finger bewirken doch eine Auslenkung der Sehne. Dann wäre das doch der Knickfall 1. Und der Schub der Sehne bewirkt den
Knickfall 2. Sehe ich das soweit richtig?
Nein.
Die Startbeschleunigung des Pfeils ist rund 700g in Richtung der Pfeilachse. Da haben die Finger nichts mehr, aber garnichts mehr zu melden. Es gibt hervorragende Videos, die das deutlich zeigen, vernünftige Sachbücher, in denen das fotografisch gezeigt wird, die sind schon seit Jahrzehnten auf dem Markt, wurden auch hier im Forum erwähnt und Links gepostet.
Wenn Du Trainer werden willst, solltest Du diese Informationen studieren und nicht immer wieder Deine falschen Annahmen wiederholen.
EoD
Christian
Benutzeravatar
mbf
Moderator
Beiträge: 380
Registriert: 28. Mai 2018, 08:27

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von mbf »

Jetzt klären wir bitte erstmal sachlich die Fakten.
Danke.
Grüße, Matthias

Als User schreibe ich schwarz, als Moderator rot.
Sebastian Rohrberg
Beiträge: 135
Registriert: 13. Jan 2023, 19:12

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Danke b_der_k_te. Die Erläuterungen regen mich zum Grübeln an.
Den versprochenen Leerschuss mache ich hoffentlich im Februar.

Zur Innenballistik des Bogens kommt noch die Beschleunigung der Nocke nach unten....

Lieber ullr. Ich bin kein Trainer und werde auch keiner. Denen die zu mir kommen bin ich bemüht zu helfen. Das klappt auch ganz gut.
Ich weiß nicht wie viele falsche Annahmen ich hier wiederholt habe. Is mir auch egal. Sind ja nur Annahmen.
Die Annäherung von Theorie und Praxis ist für mich eine höchst spannende Sache. Funktioniert aber nur, wenn einer nicht immer:“ Meins ist richtig!“ schreit. Das ist eine allgemeine Aussage.
Die hervorragenden Aufnahmen, hier im Forum, bieten enorm viel Interpretationsspielraum. Finde ich!
Sebastian Rohrberg
Beiträge: 135
Registriert: 13. Jan 2023, 19:12

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Mir ist noch was in den Kopf gekommen.
Wenn der Pfeil die Sehne seitlich bewegt. Dann könnte man doch auch, sagen wir 5cm, unterhalb der Nocke ziehen und loslassen, ohne dass sich an der seitlichen Bewegung des Pfeiles etwas ändert. Richtig?
b_der_k_te
Moderator
Beiträge: 651
Registriert: 28. Mai 2018, 09:38
Wohnort: Wien

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von b_der_k_te »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 19. Dez 2023, 16:03 Dann könnte man doch auch, sagen wir 5cm, unterhalb der Nocke ziehen und loslassen, ohne dass sich an der seitlichen Bewegung des Pfeiles etwas ändert. Richtig?
Ich muss zugeben, ich bin da skeptisch (aber ohne es tatsächlich zu wissen)
Stringwalking... Angeblich können Blankbogenschützen auch so ihren passen Spinewert mittels Blankschafttest ermittlen.
Das spräche dafür.

Meiner Meinung nach kommt beim Abgriff aber noch etwas viel stärker hinzu was Du bereits erwähnt hast.
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 18. Dez 2023, 12:22 Zur Innenballistik des Bogens kommt noch die Beschleunigung der Nocke nach unten....
Ja, die gibt es. Park behandelt das in seinem Buch ebenfalls und trennt diese Sachen eben in Effekte in der horizontalen Ebene und in der vertikalen Ebene.
Beim Abgriff kommt zusätzlich zu dem eher harmonischen "Nocktravel" den Du gemeint hast, noch eine ziemlich kräftige Bewegung in der Senkrechten hinzu.
Der untere Wurfarm muss nach dem Lösen mit Abgriff zuerst einmal das frei gewordene "Eck" der Sehne spannen. In dieser Zeit zieht der obere Wurfarm aber bereits an der oberen gespannten Sehnenhälfte die Nocke schräg nach oben. (Es gibt ein Video von Beiter dazu auf YT)

Der Pfeil bekommt auch dadurch schon eine Biegung in der Vertikalen und ich bin mir halt nicht sicher ob diese Biegung nicht sogar so dominant ist, daß der Pfeil nur mehr in der Vertikalen knickt und kaum mehr in der Horizontalen.
Das wäre aber auch mal ein extrem aufschlußreiches Video, einen Abschuß mit Abgriff von der Seite UND von vorne zu filmen.
Rudischock
Beiträge: 26
Registriert: 30. Dez 2022, 11:13

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Rudischock »

Hallo liebe Leute, ich habe die Diskussion verfolgt und mir wird schwindelig ;) .
Trotzdem möchte ich noch etwas Salz in die Suppe streuen :D .
Mir fehlt in der Diskussion die Stauchung der Nocke. Die Länge der Nocke, das Material der Nocke, Pin -oder Stecknocke...
Aus meiner Sicht wirkt die Nocke immer wie ein„ Stoßdämpfer“ mal mehr mal weniger, ja nach Art der Nocke. Ich schreibe es deswegen, weil vor ca. 20 Jahren die Kugelnocke auf den Markt kam und bei meinen Test dann ein ein fühlbar härteres Abschussverhalten zeigte, als die bis dahin verwendeten Nocken. Seinerzeit habe ich es auf die definierte Übertragungsfläche Kugel zum Kugelboden der Nocke geschoben. Nach ca. zwei Jahren bin ich dann zurück zu den Standardnocken gewechselt.
Gruß Rudi
Sebastian Rohrberg
Beiträge: 135
Registriert: 13. Jan 2023, 19:12

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Ich muss zugeben, dass Thema Nocke ist auch sehr spannend.
Wir haben uns nur mit der Ablösekraft beschäftigt. Aufgrund dessen könnte ich mir vorstellen, dass das härtere Abschussgefühl mit der sehr leichten Klemmkraft der Kugelnocke zu tun hat.
Was ich allerdings weiß, ist, dass bestimmte Arten von Nocken schneller weich werden als andere und somit häufiger getauscht werden sollten.
Nur am Rande. Die beste x10 Nocke war die allererste Innocke von Easton.
Benutzeravatar
mbf
Moderator
Beiträge: 380
Registriert: 28. Mai 2018, 08:27

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von mbf »

Zur Nocke hatte ich mal etwas von Park (ja, der schon wieder) gelesen, der auf dem Compound hier entsprechende Untersuchungen durchgeführt hat.
Hier: https://www.bow-international.com/featu ... ly-matter/
Additionally, we found nock selection is very important in the grouping ability of a set of arrows: our expectation is that the nocks with the shortest distance between the end of the shaft and the nock groove will be the best.
Grüße, Matthias

Als User schreibe ich schwarz, als Moderator rot.
abgemeldet01

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von abgemeldet01 »

mbf hat geschrieben: 21. Dez 2023, 13:42 Zur Nocke hatte ich mal etwas von Park (ja, der schon wieder) gelesen, der auf dem Compound hier entsprechende Untersuchungen durchgeführt hat.
Hier: https://www.bow-international.com/featu ... ly-matter/
Additionally, we found nock selection is very important in the grouping ability of a set of arrows: our expectation is that the nocks with the shortest distance between the end of the shaft and the nock groove will be the best.
Danke für diese Info. Ich habe in dem Bericht einen Absatz gefunden, der mich sehr interessiert:
We then bent some of the arrow shafts, first to 0.003 of an inch and then to 0.006 of an inch, and retested the grouping. As you would expect, the arrows did not group as well, although those with the angled fletches did not suffer nearly as much as those with the straight fletches. We increased the fletch angle for some shafts and the group size nicely decreased.
Also eine Verkrümmung des Schaftes um 0,08 mm bzw 0,15mm bewirkt schon eine deutliche Verschlechterung des Treffbildes. Hier wurde der Versuch mit einer Schießmaschine durchgeführt und ist deshalb doppelt wichtig und aussagekräftig.
Und eine Schrägstellung der Federn reduzierte diesen negativen Einfluss.
Auf jeden Fall ist es hochlöblich, dass für die Untersuchung der Munition -der Pfeile- der Einfluss des Menschen ausgeschaltet wird.
Hochinteressant.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
Antworten