Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Fragen, Themen die das System Bogen incl. Anbauteile betreffen
Sebastian Rohrberg
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Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Wenn man in solchen Aufnahmen eine Linie über den Pfeil legt und das dann laufen lässt. Dann sieht man, dass die erste Biegung des Pfeiles nicht auf der eingezeichneten Achse ist. Sie ist, aus Schützensicht, nach links versetzt.
Die zweite Biegung liegt dann auf der Achse.
b_der_k_te
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Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von b_der_k_te »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 24. Jan 2024, 14:13Auch ist die erste Biegung nach innen nicht so stark wie Zweite nach außen.
Wann ist für Euch eine Biegung stark und wann weniger? Wie definiert Ihr das? Ist das so wie rstoll das auf den Bildern eingezeichnet hat: Eine Verbindungslinie zwischen Spitze und Nocke ziehen und je weiter die (ungefähre) Pfeilmitte von dieser Linie weggebogen ist, desto stärker die Biegung?

Wenn ich mir das Beiter-Video noch langsamer anschaue (man kann mit den Tastatur-Tasten "," bzw. "." jeweils ein Bild zurück und vor gehen) und früher stoppe, sehe ich einen Pfeil der von der Spitze bis fast zur Pfeilmitte noch gerade ist und nur der hintere Teil ist gebogen.
HS0.5.PNG
(wer keine Werbung möchte bräuchte nur mal nachdenken oder die Videobeschreibung drunter ansehen. Dann könnte man sich denken das auf der Webseite von Werner Beiter die Videos auch zum Download bereit stehen.)
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 24. Jan 2024, 14:13 Vielmehr sieht es aus wie ein "in Schwingung versetzen".
Kann man so sagen. Die Pfeilschwingung muss auf jeden Fall "angeregt" (= technischer Ausdruck dafür) werden. Für mich schließt das Eine das Andere noch nicht aus.
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 24. Jan 2024, 14:13 Wenn ich mir vorstelle, dass der Pfeil die Sehne bewegt, wäre die Steifigkeit des Pfeiles nicht so entscheidend für einen geraden Pfeilfug wie sie tatsächlich ist. Vielmehr wäre die Verteilung der Masse im Pfeil entscheidend für ein gleichmäßiges Schwingungsbild.
Das dann die Steifigkeit nicht mehr so entscheidend wäre, kann ich wiederum noch nicht nachvollziehen.
Man kann sich wohl darauf einigen das die Anregung der Schwingung von der Hinterseite (Pfeilheck) kommt. Für mich ist die Kombination von Steifigkeit und Massenverteilung entscheidend. Beide Dinge können nicht voneinander getrennt werden.
Aus meiner Sicht kann man es auch damit vergleichen:
Bild
Bildquelle
Eine Anregung von einem Ende aus läßt eine (transversale) Welle durch das Objekt wandern. Ein Pfeil ist dabei relativ steif, weshalb die Welle eben relativ lang ist (länger als der Pfeil selbst ist).
Und ja, die Kombination von Steifigkeit und Massenverteilung läßt den Pfeil als Ganzes von außen betrachtet hin und her pendeln (um seinen Schwerpunkt)

Ist denn ein "gleichmäßiges Schwingungsbild" entscheidend für einen geraden Pfeilflug? Da frage ich wieder, was man denn darunter versteht. Aber ich sage mal: auch das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist ob diese Pendelung - die durch die immer noch andauernde Beschleunigungskraft vom Bogen beeinflußt wird - sich am Ende ausmittelt, oder ob ein Rest übrig bleibt wodurch der Pfeil sich im freien Flug auf eine Seite hin ausdreht.
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Sebastian Rohrberg
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Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Moin.
Ich bin mir nicht sicher, ob der Pfeil weniger biegt. Aber ich meinte schon das was die Linien da zeigen.
Ich finde die erste Biegung sieht anders aus als die Zweite. Eben auch da der Pfeil sich am Heck ausstellt, während der vordere Teil gerade bleibt.
Danach entsteht ja erst der "Bauch" der nicht auf der eigentlichen Pfeilachse liegt.
Da die Stauchung erst passiert nachdem das Heck sich ausgestellt hat wird, meiner Meinung nach, eine stärkere und definierte Biegung erzeugt. Würde die Sehne nur gerade "Drücken" wäre die Biegung auch nicht so stark.
Deswegen meine ich, dass bei einem durch Release geschossenen Bogen, die Biegung geringer ist. Vielleicht sogar sehr gering. Daraus folger ich dann, dass die Steifigkeit des Pfeiles, aufgrund der eh geringen Biegung, nicht so entscheidend ist wie bei einem mit Finger geschossenen Bogen.
Mit der Schwingung meinte ich das gleichmäßige Schwingen von Heck und Spitze im Flug, damit der Pfeil nicht rechts oder links abdriftet.
Sebastian Rohrberg
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Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von Sebastian Rohrberg »

Hab was vergessen.
In der etwas jüngeren Aufnahme von Beiter kann man das besser sehen. Die is nicht so matschig und heller.....
abgemeldet01

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von abgemeldet01 »

Ich habe mal das Video, so gut es geht, ausgewertet. Hier die Beschreibung.
1. Man klebt über dem Bildschirm einen Faden fest, der beim Startbild genau in der Richtung des Pfeiles liegt. Er liegt also auf der Mittellinie des Pfeilschaftes.
2. In sehr kurzen Rucken das Video weiterlaufen lassen.
3. Als erstes bewegt sich das Heck des Pfeilschaftes nach rechts (vom Bogen weg). Die Spitze bleibt auf der Linie.
4. Das Heck des Pfeilschaftes bewegt sich weiter nach rechts. Der Schaft selber bildet als Ganzes eine Biegung. Die Spitze ist immer noch in der ursprünglichen Linie.
5. Der Schaft bildet von vorn bis hinten eine Biegelinie mit Bauch zum Bogen hin. Die Spitze ist immer noch auf der ursprünglichen Linie.
6. Vorne bildet sich eine Biegung des Schaftes nach links, das Heck wandert nach links. Hinten bildet sich eine Biegung nach links. Die Andeutung einer S-förmigen Verbiegung.
7. Die Spitze ist immer noch auf der Linie, das Heck des Schaftes wandert nach links.
8. Der Schaft nimmt eine Biegung ein, Bauch nach rechts (in der Mitte des Schaftes), Heck fast wieder auf der Linie, die Spitze ist immer noch auf der Linie.
9. Das Gleiche wie Nr. 8, relativ stark durchgebogen. Spitze unverändert auf der ursprünglichen Linie.
10. Die Biegung wird stärker, die Spitze des Pfeiles wandert nach links.
11. Der Pfeilschaft bildet eine leichte S-Biegung, Spitze nicht mehr zu sehen.
12. Der Pfeil verlässt die Sehne. Er ist nach innen (nach links) durchgebogen. Die Sehne bewegt sich nur noch nach vorn und hinten, aber nicht mehr zur Seite.
Es ist klar, dass dieses Verhalten komplex ist. Es treten S-Verbiegungen auf, genauso wie normale Biegungen. Eine (sehr fragwürdige) Erklärung für dieses Verhalten wäre, dass sich die Primärdurchbiegung mit der Biegeschwingung vermischt und dieses komplexe Verhalten erzeugt.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
abgemeldet01

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von abgemeldet01 »

Ein Nachtrag zu meinem Post.
Hier, in diesem Zeichentrickfilm ist die Innenballistik der Pfeilbeschleunigung super gut dargestellt. Da hat der Zeichentrickfilmer die Bewegungen des Pfeiles extrem gut analysiert und dargestellt. Das ist erstaunlich gut zu sehen, wenn man bei dem letzten Schuss von Merida den Film sich Klick für Klick ansieht. Diesen exquisiten Lehrfilm sollte der Deutsche Schützenbund in die ABC Trainer Ausbildung aufnehmen.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuß!"
Christian
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rstoll
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Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von rstoll »

Hab mal nach bestem Wissen und Gewissen vesucht, die Linie einzuzeichnen.
Quelle: Beiter (nachbearbeitet)
Beiter (online-video-cutter.com)(2).gif
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abgemeldet01

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von abgemeldet01 »

rstoll hat geschrieben: 26. Jan 2024, 07:48 Hab mal nach bestem Wissen und Gewissen vesucht, die Linie einzuzeichnen.
Quelle: Beiter (nachbearbeitet)
Beiter (online-video-cutter.com)(2).gif
Super! :D
Genau so
Ich hoffe, dass auch dieser Clip in das Unterrichtsmaterial des Deutschen Schützenbundes aufgenommen wird.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
b_der_k_te
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Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von b_der_k_te »

Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 25. Jan 2024, 17:26 Ich bin mir nicht sicher, ob der Pfeil weniger biegt. Aber ich meinte schon das was die Linien da zeigen.
Ich finde die erste Biegung sieht anders aus als die Zweite. Eben auch da der Pfeil sich am Heck ausstellt, während der vordere Teil gerade bleibt.
Danach entsteht ja erst der "Bauch" der nicht auf der eigentlichen Pfeilachse liegt.
Und das wäre auch schon die (bzw. meine) Erklärung warum die Amplitude der Biegung in die erste Richtung etwas kleiner ist als die in die zweite Richtung.
Die Schwingung (sichtbar in Form einer Biegung) muss sich erst einmal aufbauen, etablieren. Das geht nicht von Null weg und ist plötzlich da. Nicht in den Zeitabschnitten von Millisekunden in denen wir uns jetzt bewegen. Sowas kann schon mehr als eine Schwingungsperiode dauern. In der Musikszene und in der Technik nennt man das "Ansprechverhalten".
Das gibt allerdings noch keinen stichhaltigen Hinweis darauf wie bzw. durch was die Schwingung/Biegung angeregt wurde.
Sebastian Rohrberg hat geschrieben: 25. Jan 2024, 17:26 Da die Stauchung erst passiert nachdem das Heck sich ausgestellt hat wird, meiner Meinung nach, eine stärkere und definierte Biegung erzeugt. Würde die Sehne nur gerade "Drücken" wäre die Biegung auch nicht so stark.
Das ist eben eine dieser "Streitfragen". Ich denke es ist unbestritten das die Sehnenkraft es "leichter hat" den Pfeil noch stärker zu biegen, wenn dieser bereits "vorgebogen" ist. (ich möchte den Begriff Stauchung vermeiden, verstehe aber das Du damit die stärker werdende Durchbiegung meinst nachdem die Sehne die Finger verlassen hat.)
Die Fragen die Dich in weiterer Folge umtreiben sind, 1. ob die Sehnenkraft es von ganz alleine hinbekommen würde das Pfeilheck dermaßen auszustellen und 2. ob dann auch die Biegung insgesamt kleiner ausfällt als wenn Finger mit im Spiel wären.
Ich möchte mit dem zweiten Punkt beginnen und da gleich weiter differenzieren: Meiner Meinung nach kann die Biegung durchaus das gleiche Ausmaß erreichen. Aber auch das halte ich gar nicht für die entscheidende Frage. Sondern ob sich die Biegung mit Fingerlösen vielleicht schneller aufbaut. Denn dann sind wir wieder beim Pendeln des Pfeils um seinen Schwerpunkt und ob sich dieses im Abschuß ausmittelt oder nicht.
Ich könnte mir vorstellen das ein Pfeil von einem Recurve mit Release abgeschossen, sich genauso biegen wird, aber die Biegung eben etwas (da geht es um Millisekunden) verzögert aufbaut. Das wiederum würde das Pendeln zeitlich verschieben wodurch der Pfeil auch anders aus dem Bogen herauskommt.
Die praktische Erfahrung von James Park mit seiner Schießmaschine zeigt zumindest das er, um das selbe Pfeilverhalten wie der Schütze auch von der Maschine zu bekommen, die Sehne die ersten paar mm über eine Metallrampe seitlich ablenken muss. (Die Rampe zur Auslenkung muss dabei sowohl in der Länge als auch in der Seite entsprechend dem Schützen angepaßt sein.)

Um den ersten Punkt (Deiner Fragen) aufklären zu können, bräuchte man einen tieferen Einblick in das technische Knicken nach Euler und auch einen tiefen Einblick darauf wie sich die Sehnenkraft auf die Pfeilnocke aufbaut während die Finger die Sehne frei geben.
Wobei ich mir gar nicht mehr so sicher bin ob die Betrachtung der Knickfälle ein guter Ansatz ist. Optimaler, hat sich offenbar herausgestellt, scheint die Aufteilung des Pfeils in viele kurze Abschnitte mit Steifigkeit- und Massebeaufschlagung zu sein.
Doch weenn man mal davon ausgeht das irgendwann der Punkt gekommen ist das die Sehnenkraft auf die Nocke so groß ist das die berüchtigte kritische Knickkraft erreicht und überboten wird, möchte man doch wissen wie stark die Ausstellung des Hecks dann sein kann.
Im Netz habe ich nur ein einziges Schriftstück gefunden, welches sich damit auseinandersetzt. In dem Fall auch "nur" mit dem Knickfall 2 nach Euler. Mittlerweile schaut es laut den Beiter-Video(s) ja so aus als ob der Pfeil wenn dann nach Knickfall 1 zu behandeln ist.
Technische Mechanik 4 Seite1.PNG
es folgen zwei Seiten Formelherleitung...
Technische Mechanik 4 Seite4.PNG
Wird die Knickkraft nur um 5% überschritten, so macht die Auslenkung der Biegung fast 20% der Stablänge aus. (Knickfall 2)
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abgemeldet01

Re: Sehnen- und Pfeilbewegung Innenballistik

Beitrag von abgemeldet01 »

b_der_k_te hat geschrieben: 26. Jan 2024, 11:11 ....
Wird die Knickkraft nur um 5% überschritten, so macht die Auslenkung der Biegung fast 20% der Stablänge aus. (Knickfall 2)
Richtig. Sogar den anwendbaren Knickfall nach Euler benutzt...
So wird die Primärdurchbiegung initiiert.
Die Beschleunigungskraft sinkt nach kurzem Weg (nach ca 2ms) unter die kritische Knickkraft ab, und der Pfeilschaft kann seine weitere Biegeschwingung, in ihm ist ja die Federenergie der Verformung enthalten, frei durchführen.
Dieser Ansatz reicht vollkommen aus, das Pfeil-Bogensystem rechnerisch abzustimmen. Die Beiterbilder zeigen allerdings weitere Biegeschwingungen, die aber wohl keinen wesentlichen Einfluss auf die Abstimmung haben.
Mittlerweile schaut es laut den Beiter-Video(s) ja so aus als ob der Pfeil wenn dann nach Knickfall 1 zu behandeln ist.
Nein. Das stimmt nicht. Dann müßte die Primärdurchbiegung genauso aussehen. Das tut sie nicht. Wenn dieser gesamte Schwingungsverlauf exakt beschrieben werden soll ist ein erheblich größerer Aufwand zu treiben. Wie er aussehen könnte, habe ich beschrieben. Notwendig wären Versuche aus der Schießmaschine und exakte Kurzzeitaufnahmen aus mehreren synchronisierten Kameras (senkrecht und waagerecht) notwendig und die entsprechende Bearbeitung durch ein Institut.
Gruß und klar doch,
"Gut Schuss!"
Christian
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